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Schnelle Lösungen nur für Orcas: Wladimir Putin im TV.

Foto: Reuters / Ilya Naymushin

Putin – dein Freund und Helfer. Zumindest für zwei Orca- und sechs Beluga-Wale von mehr als 100 seit Monaten in der Pazifikregion Primorje gefangen gehaltenen Tieren war Putins Fernsehaudienz ein echtes Geschenk. Die Wale wurden unmittelbar vor Putins Auftritt imagewirksam in die Freiheit entlassen. Putin selbst versprach ein Fangverbot. Doch bei aller Liebe der Russen für die großen Meeressäuger – für die weitaus größeren Probleme hatte der Kreml-Chef keine schnellen Lösungen parat.

Putins Show kam bei der 17. Auflage nur langsam in die Gänge – und dies lag nicht an der obligatorischen Verspätung Putins zum Sendestart. Das Frage-und-Antwort-Spiel war genauso routiniert wie die Einschaltungen aus den Regionen. Auf die meisten Klagen antwortete der russische Präsident mit statistischen Angaben. Zwar sei das Leben in den vergangenen Jahren tatsächlich schwerer geworden, räumte er ein, nur um gleich wieder zu relativieren, dass es seinen neuesten Zahlen zufolge "langsam wieder aufwärts" gehe.

Dröge Zahlen

Während Lehrer, Ärzte und Feuerwehrleute in der Sendung über magere Gehälter klagten, verkündete Putin, die Durchschnittslöhne seien von 33.200 Rubel (460 Euro) im Jahr 2017 auf 44.000 bis 45.000 (610 bis 625 Euro) gestiegen. Dasselbe Prinzip nutzte er beim Thema Gesundheitswesen: Klagen über fehlende Ärzte und Medikamente konterte er mit Zahlen über die staatliche Finanzierung des Sektors, woraus der Eindruck entstehen sollte, dass der Mangel allein auf Fehler in den Regionen zurückzuführen sei.

Heikle Themen wurden weichgespült: die Verfolgung des oppositionellen Journalisten Iwan Golunow, die Probleme bei der Abfallreform oder die Korruption. Laut Putin alles Einzelfälle, während das System funktioniert. Ausgeblendet wurde auch der für den Kreml unbequeme Bericht eines internationalen Ermittlerteams zum Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 über dem Donbass, für den die prorussischen Rebellen verantwortlich sein sollen. Der Kreml-Chef erneuerte stattdessen die Vorwürfe gegen Kiew und machte deutlich, dass es bezüglich der Ukraine in Moskau keinen Kurswechsel gibt.

Russland bleibt auf Kurs

50 Milliarden Dollar habe Russland durch die Einführung der westlichen Sanktionen verloren, räumte Wladimir Putin ein. Doch gleichzeitig habe die EU 240 Milliarden Dollar verloren. Russland müsse sich mit niemandem vertragen, da es sich mit niemandem verkracht habe, behauptete Putin. "Es ist völliger Unsinn und eine Lüge, dass wir den Donbass okkupiert haben", sagte er und forderte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf, direkt mit den Separatistenführern über den Konflikt zu verhandeln.

Ansonsten hatte der Kreml-Chef auch zur internationalen Politik wenig Neues zu sagen. Und so endete nach über vier Stunden dann der TV-Marathon ohne eine klare Richtungsvorgabe. Insgesamt war die Veranstaltung für die Russen eher enttäuschend. Putins Versicherungen, Russland sei auf dem richtigen Weg, erinnern nach einem weiteren Jahr sinkenden LebensStandards, internationaler Spannungen und fehlender Durchbrüche in der Korruptionsbekämpfung an Durchhalteparolen. Das Gefühl der Stagnation hat das wichtigste Imageprojekt Putins eingeholt. Seine eigenen Beliebtheitswerte haben deutlich gelitten. Die TV-Fragestunde wird diesen Trend aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stoppen können. (André Ballin aus Moskau, 21.6.2019)