Viel zu viele Pillen: Oft werden Antibiotika bei Virus-Erkrankungen verschrieben, obwohl sie nur bei bakteriellen Erkrankungen wirken.

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will mit einer weltweiten Kampagne gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger vorgehen. Diese sogenannte Superbazillen machen die Behandlung mit Antibiotika unmöglich, sodass selbst leichte Verletzungen und Infektionen zum Tod führen können. Diese sei eine der "dringlichsten Gesundheitsrisiken unserer Zeit und stellen eine Bedrohung für den medizinischen Fortschritt eines ganzen Jahrhunderts dar", sagt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Resistenzen gegen Antibiotika können laut WHO auf natürliche Weise entstehen, falscher oder übermäßiger Gebrauch von Antibiotika beschleunige diesen Prozess jedoch. Die WHO hat nun einen Plan zum effektiveren Einsatz vorgelegt. Sie empfiehlt ein System zur Klassifizierung von Antibiotika in jene, die zu jedem Zeitpunkt zugänglich sein und in solche, die nur im Ernstfall vergeben werden sollten.

Die Resistenzen seien "eine unsichtbare Epidemie", erklärt Mariangela Simao, stellvertretende Generaldirektorin für den Zugang zu Medikamenten bei der WHO. Bereits heute gebe es Infektionen, die mit keiner Art von Antibiotika behandelt werden könnten.

50 Prozent falsch verwendet

Seit ihrer Entdeckung in den 1920er-Jahren werden Antibiotika gegen bakterielle Infektionen wie Lungenentzündungen, Tuberkulose oder Meningitis eingesetzt, die ohne Behandlung oft tödlich verlaufen. Allerdings haben manche Bakterien mit den Jahren eine Resistenz gegen Antibiotika entwickelt, so dass bestimmte Infektionen nicht mehr behandelt werden können.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt, dass in den kommenden 30 Jahren 2,4 Millionen Menschen in Europa, Nordamerika und Australien wegen sogenannter Superbazillus-Infektionen sterben könnten. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass 50 Prozent aller Antibiotika in vielen Ländern falsch verwendet werden. Dazu zählt die Verschreibung bei Virus-Erkrankungen, obwohl Antibiotika nur bei bakteriellen Erkrankungen wirken.

Zugleich fehlt in vielen ärmeren Ländern der Zugang zu Antibiotika. So sterben nach WHO-Angaben jährlich fast eine Million Kinder wegen fehlender Medikamente an Lungenentzündung.

Balance finden

Um sowohl das Problem der Resistenzen als auch jenes des mangelnden Zugangs zu lebensrettenden Medikamenten anzupacken, schlägt die WHO in ihrer Kampagne "AWaRe" die Klassifizierung von Antibiotika in drei Kategorien vor: Access (Zugang), Watch (Beobachtung) und Reserve (Einschränkung).

In die Access-Kategorie gehören der WHO zufolge Antibiotika, die nur ein bestimmtes Bakterium angreifen und deshalb mit einem geringeren Resistenzrisiko behaftet sind. Diese Medikamente machen rund 60 Prozent aller verwendeten Anitbiotika aus. Alle anderen Antibiotika sollen laut WHO nur noch in Fällen eingesetzt werden, in denen andere Medikamente nicht wirkten.

Laut WHO sammeln jedoch nur 65 Länder weltweit Daten zum Gebrauch von Antibiotika. Fast die Hälfte davon überschreitet das von der WHO ausgerufene Access-Ziel von 60 Prozent. Fast alle diese Länder liegen in Europa.

WHO-Chef Ghebreyesus ruft alle Staaten dazu auf, eine Balance zwischen der "Gewährleistung des Zugangs zu lebensrettenden Antibiotika" einerseits und einer "Beschränkung einiger Antibiotika auf die am schwierigsten zu behandelnden Infektionen" zu finden. (APA, 19.6.2019)