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Die Copa America sorgt für keinen Publikumsansturm.

Foto: AP/Victor R. Caivano

Rio de Janeiro – Brasiliens Kapitän Dani Alves verstand beim Eröffnungsspiel der Copa America die Welt nicht mehr. Die Kommandos von Nationaltrainer Tite im Morumbi-Stadion von Sao Paulo waren mühelos zu hören. Rio de Janeiros Fußballtempel Maracana verzeichnete am Sonntag sogar den schlechtesten Besuch im Zyklus der Groß-Events. Der Latino-Party in Brasilien fehlt das Heißblut.

Der erste Gruppenspieltag bei der 46. Auflage der Südamerika-Meisterschaft ist mit sechs Partien durch. Die traurige Zwischenbilanz: Kein Stadion war ausverkauft, die Auslastung lag bei rund 40 Prozent. Einzig die chilenischen Fans machten am Montag beim 4:0 gegen Japan im zu einem Drittel besetzten Morumbi ordentlich Krach.

Vorherrschend war aber Stille, die Gleichgültigkeit ausdrückt. Zweifelsohne besser als Krawall und Gewalt, die seit Jahren hässlichen Fratzen der südamerikanischen Fußball-Ekstase. Die Hochpreis-Politik des Kontinentalverbandes Conmebol geht auf. Was den Ausschluss der pöbelnden Fans und die Kasse angeht. Dass dabei die Stimmung verloren geht, ist anscheinend egal.

84 Euro für ein Ticket

Rückblende: 24. November 2018. Kurz vor dem Final-Rückspiel des Libertadores Cup, Pendant der Champions League, bombardieren Fans von River Plate in Buenos Aires den Mannschaftsbus des Stadtrivalen Boca Juniors mit Wurfgeschossen. Gegenüber der Lage ohnmächtig, verlegt die Conmebol kurzerhand die Partie nach Madrid und raubt damit der argentinischen Hauptstadt eines der größten Sportereignisse ihrer Geschichte.

Wer Geld hatte, flog über den Teich. Der Rest guckte in die Röhre, sprich den Fernseher. Wer jetzt Geld hat, geht bei der Copa America ins Stadion. Der "Normalsterbliche" bezahlt in der Vorrunde in der billigsten Kategorie immerhin nur 60 Real (knapp 14 Euro). Die 47.619 zahlenden Zuschauer bei Brasiliens 2:0 gegen Bolivien blechten laut Organisatoren jedoch 368 Real (84 Euro) im Schnitt.

Eine Zahl, die bei aller Offenheit vor allem angesichts der Korruptionsvergangenheit in den südamerikanischen Verbänden Zweifel aufwirft. Denn weniger Fans heißt heuer nicht weniger Geld. Der bisherige Zuschauerschnitt von rund 25.000 wäre in der laufenden brasilianischen Saison nicht einmal Top fünf. Doch die Einnahmen von 1,75 Millionen Euro pro Partie sind viermal so hoch wie der Durchschnitt von Brasiliens Klassenprimus SE Palmeiras aus Sao Paulo.

Vom Pöbel zum Yuppie

Die Kassenhäuschen an den Copa-Stadien bleiben für das "Fußvolk" verschlossen, Tickets gibt es für horrende Preise nur online oder in den elitären Shops der Gastgeberstädte. Gentrifizierung nennen die Experten diese Austausch-Strategie vom Pöbel zum Yuppie, die in Europa dennoch die Arenen füllt, aber so nicht einfach auf Südamerika zu kopieren ist.

Da klingt der Titelsong "Vibra Continente", möge der Kontinent vibrieren, fast wie Hohn. (sid, 18.6.2019)