Ob die Wähler im Herbst 2020, wenn in Wien gewählt wird, wieder scharenweise Strache zuströmen würden? Das ist keineswegs fix.

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Kaum weg – schon wieder da: Ein gewisses Spiel mit Nähe und Distanz zur eigenen Partei entwickelte sich allmählich zu einer Art Markenzeichen des langjährigen FPÖ-Parteichefs Jörg Haider. Sein Nachfolger Heinz-Christian Strache machte am Montag sichtbar, bei wem er sein Handwerk gelernt hat. In einem zehnminütigen Video auf seiner Facebook-Seite erklärte Strache, dass er zwar auf sein Mandat im EU-Parlament verzichten und nicht zur Nationalratswahl im Herbst antreten werde.

Zugleich betonte Strache aber, dass sein Rückzug ein "vorläufiger" sei. "Ich werde mich nicht zurückziehen, im Gegenteil", droht Strache seiner Partei. Die kommenden Monate wolle er der "Aufklärung" widmen, um herauszufinden, wer die Ibiza-Videos veranlasst und produziert habe, so Strache. Und danach werde er, "gestärkt" durch die "Krise", auch wieder politische Ämter bekleiden – zumal er von seinen Fans "täglichen Zuspruch" erhalte, "weiterzumachen".

Attentat nur "Streifschuss"

Was das bedeutet? Strache, der in dem geheim angefertigten Videomitschnitt eines Sommerabends in Ibiza im Juli 2017 allzu freimütig eine gewisse Offenheit für Korruption und illegale Parteienfinanzierung demonstrierte, will einige Zeit verstreichen lassen, um dann, wenn die Ibiza-Bilder in den Köpfen der Menschen verblasst sind, erneut auf die politische Bühne zu treten. In Straches Worten klingt das deutlich martialischer: Jenes "politische Attentat", das die Video-Drahtzieher auf Strache verübt haben, werde sich später womöglich doch nur als "Streifschuss" erweisen.

Strache verzichtet also auf das EU-Parlamentsmandat. Medienberichte, wonach ihm die Partei dafür einige Zugeständnisse machen musste – ein Beratervertrag um 10.000 Euro monatlich, ein Nationalratsmandat für Ehefrau Philippa -, weisen sowohl FPÖ-Chef Norbert Hofer als auch Strache selbst zurück: Es habe keinen Deal gegeben, bemüht man sich zu betonen.

Ob das von Strache gewünschte Comeback bei der Wien-Wahl tatsächlich Form annehmen wird, ist derzeit offen. Einerseits bleibt abzuwarten, was die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Strache ergeben. Andererseits wird das Ergebnis der Nationalratswahl zeigen, inwiefern die FPÖ es auch ohne Strache schafft, deutlich an Stimmen zuzulegen.

Sollten die Blauen das schaffen, wäre das ein Minuspunkt für Strache. Sollte es der FPÖ jedoch nicht gelingen, bei der Nationalratswahl zuzulegen, wäre das ebenfalls schlecht für Straches Position – "zumal man sich fragen wird, inwiefern Strache selbst Schuld an der Niederlage trägt", sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Drittens spielt auch der Zeitpunkt eine Rolle. Sollte die Wien-Wahl vorverlegt werden, könnte die FPÖ es nicht rechtzeitig schaffen, einen neuen Kandidaten aufzubauen, der es in kurzer Zeit zu ähnlicher Bekanntheit schafft wie Strache. Dann "wäre es gut möglich, dass die Wiener FPÖ sagt: Riskieren wir es lieber mit Strache als mit jemandem, den niemand kennt", so Stainer-Hämmerle.

Harald Vilimsky hätte jedenfalls kein Problem mit einem Comeback von Strache, wenn er in der Ibiza-Affäre nicht verurteilt wird. Zur Frage, ob er dann Spitzenkandidat bei der Wiener Landtagswahl 2020 werden könnte, sagte der FPÖ-Generalsekretär in der ZiB2 am Montag: "Warum nicht?"

Kein fixes Ticket für Wien

Fix gebucht ist die Wiener Spitzenkandidatur für Strache im Herbst 2020 aber keineswegs, sagt Stainer-Hämmerle. Zwar seien Wähler im Allgemeinen eher vergesslich, was Verfehlungen von Politikern betrifft. Und insbesondere die blaue Kernwählerschaft lasse sich auch durch den Ibiza-Skandal nicht davon abhalten, Strache ihre Stimme zu geben, wie schon die kurz nach der Affäre abgehaltene EU-Wahl bewiesen hat.

Andererseits reichen die Stimmen dieser Kernwähler nicht aus, um an Stimmen zuzulegen. Dafür muss die FPÖ vielmehr auch jene Wähler erreichen, die dem moderaten Segment zuzurechnen sind. Und die könnten nach den Ibiza-Bildern sehr wohl nachhaltig verstimmt sein und im Fall einer Kandidatur Straches eher mit einer anderen Wahlliste – oder aber auch einer Wahlabstinenz – liebäugeln. (Maria Sterkl, 18.6.2019)