1. Mai, alle dabei: Pamela Rendi-Wagner, Michael Ludwig und Andreas Schieder auf dem Wiener Rathausplatz.

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Statt an ihrer Vorsitzenden zu zweifeln, sollte die SPÖ Pamela Rendi-Wagner mit aller Kraft unterstützen, schreibt Caspar Einem in seinem Gastkommentar.

Die im Titel dieses Textes angeführte Frage muss jetzt gestellt werden, wenn die Antwort für die Wahlentscheidung bei den kommenden Nationalratswahlen im September berücksichtigt werden soll. Immerhin bilden sich nicht ganz wenige Wählerinnen und Wähler lange vor dem eigentlichen Wahltermin ihre Meinung.

Wie komme ich zu dieser Frage? Ich sollte es doch eigentlich wissen, als langjähriges Mitglied dieser Partei? Nun, manchmal wird man auch ein wenig unsicher im Urteil. Warum also die Frage?

Die SPÖ hat erstmals in ihrer langen ruhmvollen Geschichte eine Frau als Vorsitzende. Allein das wäre ja eigentlich bereits ein Anlass, sich zu freuen und alles zu tun, um zu zeigen, dass der Einsatz der Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen immer schon von dem Bewusstsein getragen war, dass Frauen es genauso gut können wie Männer, oft sogar besser, und dass sie dafür genau wie Männer in solchen Funktionen alle Unterstützung und Loyalität brauchen, die möglich ist. Dieses Bewusstsein ist tief verankert in der Partei. Oder?

Vor der Wahl

Nun: Wenn die erste Frau an der Spitze der SPÖ in jeder Hinsicht unattraktiv und ungeeignet erschiene, dann könnte man unmittelbar nach ihrer Wahl in diese Funktion noch eine gewisse Reserviertheit verstehen – nicht aber akzeptieren. Aber Reserviertheit gegenüber der eigenen Spitzenfunktionärin wäre so ziemlich das Dümmste, was man vor einer allgemeinen Wahl zeigen könnte.

Tatsächlich aber ist Pamela Rendi-Wagner eine sehr attraktive Vorsitzende: Sie ist im besten Alter, um die Funktion kraftvoll und auf Basis ihrer Lebenserfahrung mit Menschen aller gesellschaftlicher Schichten und energisch auszufüllen, sie ist sehr gut ausgebildet und darin ihrem Wettbewerber auf der anderen Seite klar überlegen. Sie hat nicht nur einen seriösen Beruf erlernt – auch darin unterscheidet sie sich vom angeblich attraktivsten Schwiegersohn in Österreichs Politik, der nie etwas anderes getan hat, als an seiner politischen Karriere zu basteln. Das hat er offenbar nicht schlecht hingekriegt. Aber soll das eine gewollte Entwicklung für einen Menschen an der Spitze der Regierung sein?

Anders Pamela Rendi-Wagner, sie hat den Beruf – zunächst als Ärztin, dann als Gesundheitspolitikerin – auch mit Erfolg ausgeübt. Sie sieht gut aus, sie kann gut sprechen und macht insgesamt einen sehr sympathischen Eindruck. Was also könnte das Herz der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten höherschlagen lassen? Ich fühle mich jedenfalls unter so einer Vorsitzenden sehr gut bedient.

Sozi-Machismo

Ja, man könnte mitunter den Eindruck haben, manche Funktionäre – ja, meist Männer – hätten lieber einen kräftigen Macho an der Spitze der Partei. Aber ist das ein gescheiter Wunsch – zunächst nur für sich allein gefragt? Ist unsere Partei, die Jahrzehnte für die Sache der Frauen, die für Bildung, für Demokratie und Gleichberechtigung gekämpft hat, wirklich anfällig für Machismo und männlichen Populismus, und das, während wir erstmals eine Frau an der Spitze der SPÖ haben? Und diese für einen Sozialdemokraten doch höchst seltsame Verirrung kommt gerade jetzt heraus – jetzt drei Monate vor der Wahl? Das wäre nicht bloß dumm, sondern auch peinlich.

Ich denke, eine intelligente Partei würde jetzt einfach der Vorsitzenden zuhören. Denn sie hat etwas zu sagen. Mit dieser Vorsitzenden können Stimmen der Vernunft auch von der anderen Seite geholt, vielleicht teilweise auch zurückgeholt werden. Für Österreich nach den Wahlen im September wird es um eine ruhige Stimme der Vernunft gehen. Eine Stimme wie die von Pamela Rendi-Wagner.

Der Misstrauensantrag, der Kurz und seine Kameraden gestürzt hat, spreche gegen sie? Einer Regierung, einem Regierungschef, der so lange – sogar nach eigenem Bekunden – den Brechreiz zu den immer wieder vorkommenden rechtsradikalen Äußerungen seiner Regierungskollegen habe hinunterschlucken müssen –, hätte sie, Pamela Rendi-Wagner, hätten wir alle vertrauen sollen? Uns, die wir immer gegen Rechtsradikalismus und Faschismus gekämpft haben, uns wäre die von Kurz gebildete und "ertragene" Regierung zumutbar gewesen? Das wäre jedenfalls kein Nachweis für geschichtliches Bewusstsein, für politische Intelligenz gewesen. Damit wäre man auf der anderen Seite durchgekommen. Und davor wird Sebastian Kurz auch nach der Wahl im September nicht unbedingt zurückschrecken – Brechreiz hin oder her –, das begonnene Projekt fortsetzen.

Nach der Wahl

Eine intelligente Partei nimmt die sich bietenden Chancen wahr, eine intelligente Partei hört ihrer Vorsitzenden zu, denn sie hat etwas zu sagen, eine intelligente Partei versammelt sich hinter der Spitzenkandidatin und erkennt, was sie an ihr hat. Die auch nötige harte Oppositionsarbeit können auch die anderen Akteure in der Löwelstraße und im Parlament umsetzen. Nach den Wahlen brauchen wir eine Stimme der Vernunft, die nur Rendi-Wagner heißen kann.

Eine unintelligente Partei möchte jedenfalls keiner wählen. Ich auch nicht. (Caspar Einem, 18.6.2019)