Bild nicht mehr verfügbar.

Anders als im Privaten kann man im Job seinen Ärger nicht einfach rauslassen. Die gute Nachricht: Damit umzugehen ist lernbar.

Foto: getty images

Sie brodelt unter der Oberfläche und bricht ganz plötzlich aus: die Wut. Sie gehört zum Leben dazu. Aber anders als im Privaten kann man am Arbeitsplatz seinen Ärger nicht einfach rauslassen und Türen zuknallen. "Es steht einem einfach nicht zu. Der Chef hat nicht die Toleranz, die die Familie hat – und braucht sie auch nicht", sagt Evelyn Summhammer. Sie ist Wirtschaftspsychologin und Psychotherapeutin und bekommt bei ihren Coachings in Firmen mit, wie sehr die Wut an den Beschäftigten zehrt. "Die Mehrheit ist frustriert. Meist nicht, weil die Arbeit zu schwer ist, sondern weil Konflikte so ans Eingemachte gehen."

Dass Menschen aggressiv reagieren, habe biologische Gründe: "Das limbische System im Gehirn meldet eine Bedrohung. Es differenziert nicht, ob sie real ist, sondern geht sofort in den Überlebensmodus über und schaltet um auf Kampf." Der Puls und der Blutdruck schnellen hoch.

Auf Dauer macht Wut krank, wie Untersuchungen zeigen. Ärger dürfte toxisch für das Herz und die inneren Organe sein. "Der eine kriegt einen Herzinfarkt, der andere ein Magengeschwür", sagt Summhammer. Aber auch psychische Probleme wie Depressionen könnten entstehen.

Die gute Nachricht: Mit der Wut umzugehen ist lernbar. In ihrem neuen Buch "Komm doch mal runter" zeigt die Psychologin Strategien auf.

· Atmen, rausgehen: Tiefes, langsames Atmen aktiviert den Ruhenerv Parasympathikus. Die Aufregung nimmt ab, und man kann wieder klar denken. Wer in Rage ist, sollte auch den Raum verlassen und eine Runde im Freien spazieren gehen, rät Summhammer.

· Sich ablenken: Was ebenfalls hilft, sich nicht von der Wut mitreißen zu lassen: "den Geist mit etwas anderem beschäftigen." Eine Mögliche Methode: von hundert in Siebenerschritten rückwärts zählen. Man könne sich auch die Einkaufsliste für das Wochenende überlegen oder im Kopf den nächsten Urlaub planen. "Positives beruhigt das Gehirn."

· Die Ursache suchen: Dann sei wichtig herauszufinden: "Wieso ärgere ich mich so?" Oft liegt die Ursache für Wutausbrüche in der Vergangenheit. Wieso kann ich mit Kritik nicht umgehen? Wieso explodiere ich sofort, wenn jemand mich unterbricht? Sich alte Wunden bewusst zu machen lohnt sich möglicherweise.

· Nicht persönlich nehmen: Ähnliches gilt für den Umgang mit anderen Wutentbrannten. "Am besten man stellt sich sofort die Frage: Was ist mit dem los, dass er so die Beherrschung verliert?" Summhammer plädiert dafür, die Wut nicht sofort auf sich zu beziehen. "Menschen, die plötzlich so überschwappen, haben meist ganz andere Probleme."

· Nicht gleich diskutieren: Aus der Wut heraus Dinge ansprechen sei zu vermeiden. "Wir sind im Ausnahmezustand und haben dann eine extrem verzerrte Wahrnehmung. Wenn wir dann ein Gespräch anfangen, wird sich das Gegenüber sofort wehren." Besser: so schnell wie möglich aus der Emotion herauskommen. "Wir sollten das Thema erst ansprechen, wenn wir wieder in einem gelassenen Zustand sind."

· Reaktionen zurechtlegen: Manche Situationen lassen sich vielleicht vorhersehen – schließlich kommen Angriffe oftmals aus derselben Ecke. Die Empfehlung lautet, sich innerlich darauf vorzubereiten und sich auch ein paar Sätze zurechtzulegen, um die Situation nicht eskalieren zu lassen.

· Den Antrieb nützen: Aggressionen sind nicht nur schlecht, sie sind auch ein Antrieb, schreibt Psychologin Summhammer. Man könne sie nützten, "um sich für etwas einzusetzen, kreativ zu werden, Erfolge zu erzielen".

· Ruhe lernen: Dass es hilft, wie wild auf einen Boxsack einzuschlagen, bezweifeln Wissenschafter inzwischen. Abreagieren zeige nur kurzfristig Wirkung. Als nachhaltiger wird Achtsamkeitstraining wie Meditation beschrieben. Dabei beobachtet man, wie Gefühle aufkommen, und lernt, dazu auf Distanz zu gehen, anstatt sich ihnen komplett auszuliefern. (Lisa Breit, 18.6.2019)