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Die deutsche Grüne Ska Keller mischt kräftig mit.

Foto: REUTERS/Francois Walschaerts

Nächsten Donnerstag werden sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU zum zweiten Mal nach der Europawahl in Brüssel treffen. Aber wie schon beim Sondergipfel am 28. Mai zeichnet sich keine Lösung ab, wer Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident nachfolgen wird.

Ratspräsident Donald Tusk hatte angekündigt, er werde versuchen, nicht nur die Frage zu klären, wer die künftige Kommission führen und im Sommer das Team der EU-Kommissare zusammenstellen soll. Gleichzeitig wollen die Regierungen der Mitgliedsstaaten in einer "Personalpaketlösung" auch die Kandidaten für alle Spitzenposten in EU-Institutionen nominieren, die bis November nachbesetzt werden müssen: neue Leute an der Spitze von EU-Parlament, Europäischer Zentralbank, ein Nachfolger für Tusk ebenso wie für die Außenbeauftragte Federica Mogherini, deren Mandat mit 1. November ausläuft. Gemäß EU-Vertrag müssen die Ergebnisse der EU-Wahlen "berücksichtigt" werden. Da das Plenum des EU-Parlaments beim Kommissionschef per Direktwahl mitentscheidet, müssen die Regierungschefs bei der Nominierung aufpassen. Die EU-Abgeordneten bestehen (bisher) darauf, dass nur ein Wahlspitzenkandidat oder eine Kandidatin infrage kommt.

Traditionell versucht man die unterschiedlichen Interessen von Ländern, geografische Unterschiede, die diversen Parteienstärken eben durch ein ganzes Personalpaket möglichst auszubalancieren. Es sollte Geschlechterparität gewahrt werden, und wegen ihrer Wahlerfolge spielen die liberale und die grüne Fraktion (Alde und Grüne) diesmal eine stärkere Rolle. Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) haben ihre gemeinsame Mehrheit im Parlament verloren. Die Dynamik scheint, anders als 2014, diesmal nicht von Regierungschefs auszugehen, wie eine mit den Verhandlungen vertraute Person dem Standard erklärte, sondern von den Parlamentsfraktionen.

So haben EVP und Grüne bereits begonnen, über ein künftiges Regierungsprogramm für die neue EU-Kommission zu verhandeln. EVP-Fraktionschef Manfred Weber war ebenso Spitzenkandidat wie sein grünes Gegenüber Ska Keller. Er ist (neben dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans) einer der Favoriten für die Juncker-Nachfolge.

Macron unberechenbar

Anders als die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die keine Spitzenkandidatin war, hat Keller bisher keinen Anspruch gestellt, nächste Kommissionschefin zu werden. In Verhandlerkreisen hieß es aber nun, die Grüne könnte anders überraschen. Sollte es einen Vier-Parteien-Koalitionspakt geben, könnte die 34-jährige Deutsche bei der Konstituierung des Parlaments am 2. Juli vielleicht zur Präsidentin in Straßburg gewählt werden, nach Antonio Tajani aus Italien.

In diesem Fall würde der Noch-Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, für diesen Posten ausfallen, den er anstrebt. Ska Keller als Parlamentschefin würde die dringende Suche nach Frauen in EU-Toppositionen erleichtern.

Sollten Weber oder Timmermans Kommissionschef werden, wäre bei der Besetzung der Tusk-Nachfolge etwa mit der früheren litauischen Präsidentin und Unabhängigen Dalia Grybauskaite ein besseres Verhältnis von Frauen und Männern erzielt als jetzt.

Diese Rechnung ist aber ohne die Regierungschefs und deren Arbeitsgruppe aus sechs Premiers gemacht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat erklärt, dass er Weber ablehnt. Was oder wen er will, ist bisher nicht klar, auch nicht, ob der angekündigte Pakt der Macronisten mit Alde im EP funktioniert. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel setzt verhalten auf Weber. Denkbar ist aber, dass sie ihn fallenlässt, um ihren Vertrauten Jens Weidmann auf den Posten des EZB-Chefs zu hieven. Weber wäre als Kommissionschef out, der Weg für Timmermans oder Vestager frei.

Im EU-Parlament rechnet man bereits mit einen EU-Sondergipfel vor oder nach der Konstituierung des EU-Parlaments am 2. Juli. (Thomas Mayer aus Brüssel, 13.6.2019)