Die "Ott": der Inbegriff einer Volksschauspielerin.

Foto: STANDARD / Andy Urban

Als Tochter eines Uhrmachermeisters aus dem Ersten Wiener Gemeindebezirk wusste Elfriede Ott von früh an, was es geschlagen hatte. Wer das – wegen irgendwelcher szenischen Verwicklungen – nicht umgehend zur Kenntnis nehmen wollte, der bekam es, beinahe "handgreiflich", mit ihr zu tun.

Ihren Weg machte "die" Ott als Inbegriff der Wiener Volksschauspielerin. Barrieren zwischen sich und dem Publikum riss sie mit Bravour nieder: Die Menschen identifizierten sich mit ihrem Schalk, mit ihrer offen zur Schau getragenen plebejischen Wehrhaftigkeit. Elfriede Ott konnte in der einen Sekunde das kleine, verzogene Gör geben. In der nächsten fuhr sie schon wieder ihre Stimme kampfeslustig hoch und reckte ihre imposante Nase.

Wahre Heimat Josefstadt-Theater

Ihr Hang zur keineswegs nur gespielten Insubordination blieb Elfriede Ott ein Leben lang erhalten. Zwar debütierte sie früh am Burgtheater, fand ihre wahre Heimat – und somit auch ihre wahre Bestimmung – jedoch anno 1958 im Wiener Josefstadt-Theater. Dort belebte sie vor allem Nestroy-Figuren mit Kampfgeist: zäh, doch nicht zänkisch. Mit untrüglicher Musikalität und mit unübertroffenem Gespür für voralpine Zwischentöne.

ORF

Wer die Ott jemals an der Seite ihres damaligen Gemahls Ernst Waldbrunn erleben durfte, der konnte einiges lernen: über die Kunst der Pointierung, über die Anbahnung jenes Einverständnisses, mit dem das Publikum die eigene, jeweils im Augenblick gewonnene Einsicht applaudierend belohnt.

Aufklärerische Volksnähe

Nicht jeder Nachkriegsfilm, an dem die Ott mitwirkte, besteht den Test der Zeit. Die Exponenten des "jungen" österreichischen Films bestaunten sie sehr zu Recht wie ein Weltwunder ("Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott"). Otts Volksnähe war – nehmt alles nur in allem – dennoch aufklärerisch. Sie lehrte, dass man die Schliche der Mächtigen durchschauen, und dennoch über ihre Dummdreistigkeit lachen könne. Der spitze Klang, den sie entbehrenden Frauenzimmern schenken konnte, enthielt bis zum Schluss das Seufzen aussichtsreicher, liebenswürdiger junger Mädchen.

Schauspielerin als Publikumsliebling: 2010 spielte Elfriede Ott sich selbst in dem Kinofilm "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott".
Filmladen Filmverleih

Sie zeigte den gewöhnlichen Schmerz der knapp gehaltenen, notorisch unterdrückten Frauen. Und war dennoch – in keiner einzigen Bühnensekunde – jemals ordinär, nicht einmal im hanebüchensten Kammerspieleschwank.

"Frau Professor" Elfriede Ott lehrte Generationen von angehenden Schauspielerinnen und Schauspielern die Geheimnisse der Ökonomie, die – recht verstanden – immer auch solche der Menschlichkeit sind. Ihre langjährige Verbindung mit dem Kritiker-Autor Hans Weigel bescherte ihr endlich auch privates Glück – in ihrer Heimatgemeinde in Maria Enzersdorf, wo sie auf der dortigen Burg mit Hingebung und Kompetenz Nestroy-Spiele verwaltete.

Jetzt ist "die" Ott, deren strahlendes Lächeln vor Durchtriebenheit glänzte und dennoch ehrlich gemeint war, 94-jährig gestorben. (Ronald Pohl, 12.6.2019)