Nordmazedonien braucht Deutschland: Zoran Zaev und Angela Merkel.

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In Skopje harrte man der Entscheidung in Berlin mit Anspannung – ist sie doch weichenstellend für die Mazedonier. Doch der deutsche Bundestag diskutierte am Donnerstag nun doch nicht, ob Nordmazedonien endlich mit den EU-Beitrittsverhandlungen beginnen kann.

Eigentlich sollte beim EU-Rat am 18. Juni die Entscheidung fallen – wegen Deutschland ist das nun nicht möglich. Und der kleine Staat in Südosteuropa, der wie kein anderer in der Region in den letzten Jahren erfolgreich und mutig Reformen durchgesetzt und ein historisches Namensabkommen mit Griechenland abgeschlossen hat, sitzt damit weiter im Warteraum.

Verantwortlich dafür sind auch Hardliner in der CDU und CSU, die Nordmazedonien kein grünes Licht geben wollen. Auch in Frankreich, in den Niederlanden und in Dänemark gibt es Vorbehalte – eigentlich nicht wegen Nordmazedonien, sondern wegen Albanien, das diesen Sommer aber ohnehin keine Chance mehr hat, ein Kapitel zu eröffnen.

Deutschland und Frankreich handeln damit gegen die bewährte EU-Politik auf dem Balkan, nach der jene belohnt werden, die in die richtige Richtung gehen. Dabei hat die EU-Kommission achtmal empfohlen, mit den Verhandlungen mit Skopje zu beginnen. Das Land hat seit 2005 Kandidatenstatus. In ihrem jüngsten Länderbericht zollt sie Premier Zoran Zaev Respekt: Die Regierung hat Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit wieder eingeführt, demokratische Reife gezeigt, im Land dem Nationalismus den Rücken gekehrt, sich mit den Nachbarn ausgesöhnt und mit der Opposition zusammengearbeitet.

Risiko und Leistung

Kein anderes Balkan-Land ging so viel Risiko ein und leistete so viel. Wenn nun wegen der Haltung in Berlin und Paris nun trotzdem keine Belohnung für Skopje erfolgt, wird das weitreichende Auswirkungen auf dem Balkan und für die Glaubwürdigkeit der EU-Politik haben. Zaev warnte, dass die EU "entweder die vorwärtsgewandte, proeuropäische Option" oder "die radikale, nationalistische und prorussische" unterstützen könne. "Was auch immer passieren wird, wir haben alles getan, was wir konnten", sagte der Sozialdemokrat, mit dessen Hilfe ab 2015 eine Wende eingeleitet werden konnte, die das Land aus Autoritarismus und Stillstand holte.

Auch der Leiter des Zentrums für Südosteuropa-Studien an der Uni Graz, Florian Bieber, sieht fatale Folgen, wenn es kein grünes Licht gibt: "In Skopje wird das die Regierung in eine schwere Krise stürzen und der Opposition Aufwind geben, die bereits argumentiert, dass die Namensänderung ein leichtfertiges Zugeständnis der Regierung ohne Gegenleistung der EU war."

"Pseudo-Reformen" und autoritäre Mittel

Zudem würde es Regierenden auf dem Balkan künftig besser erscheinen, "Pseudo-Reformen zu machen und sich mit populistischen und autoritären Mitteln an der Macht zu halten", wenn "Reformbemühungen, die unbeliebt und risikoreich sind, nicht belohnt werden und sich nicht auszahlen". Bieber resümiert: "De facto ist das ein Todesstoß für die EU-Erweiterung." Ohne Reformanreiz der EU werde es zu mehr Populismus kommen, und Regierende würden sich anderen Partnern als der EU, etwa Russland, der Türkei und China, zuwenden.

EU-Diplomaten versuchen nun, dieses Szenario abzuwenden und doch noch zu ermöglichen, dass eine Entscheidung für Nordmazedonien im Sommer fällt. Denn wenn dies nicht geschieht, könnte nach den Wahlen im Griechenland am 7. Juli, die wahrscheinlich an die Macht kommende konservative Nea Dimokratia in alter Manier jeden Erweiterungsschritt des Nachbarlands verhindern. Damit wäre das bisher einzige positive und europäische Modell auf dem Balkan unterlaufen. (Adelheid Wölfl, 7.6.2019)