Weikendorf – Ein Kleinwagen rollt heran. Der ältere Herr in Arbeitshose nickt den Vorbeifahrenden zu. "Die grüßen, sind gut integriert", sagt er und stützt die gegerbten Hände am Gartenzaun ab. "Man merkt gar nicht, dass sie Ausländer sind. Aus Bosnien oder so." Zwei Danebenstehende nicken. Ein Rasenmähroboter surrt. Ein Schäferhund liegt träge in der Sonne.

Eingeschoßige Häuser, mintgrün, pastellgelb, bilden die beschauliche Gasse, in den Vorgärten wachsen Thujen und Rosen. Hier zieht es Familie Abu El Hosna hin. Niemand kennt die aus Palästina stammende Familie persönlich, doch bekannt ist ihr Name in der 2000-Einwohner-Gemeinde Weikendorf im östlichen Weinviertel bereits.

"Unterschiedliche Kulturkreise"

Grund ist eine Stellungnahme an die Grundverkehrsbehörde des Landes Niederösterreich zum Ansuchen der Familie, ein Haus zu kaufen. Bürgermeister Johann Zimmermann hat darin festgehalten, die "unterschiedlichen Kulturkreise der islamischen sowie der westlichen Welt" würden "in ihren Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuchen weit auseinanderliegen".

Vater Khalid Mansor Abu El Hosna, 43, empören die Worte des ÖVP-Politikers. Er machte das Schreiben vor etwa einer Woche öffentlich. Damit trat er im flachen Land eine Berichterstattungslawine los. Der Ortschef nahm bisher noch nicht Stellung dazu, da er im Ausland weilt.

Ein wehrhafter Löwe auf einer Gartenmauer in Weikendorf, wo die Familie Abu El Hosna wohnen will, da sie sich in Wien kein Haus für elf Personen leisten kann.
Foto: Christian Fischer

Sorge um Ruhe

Die drei Männer aus der Nachbarschaft des betreffenden Grundstücks, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, stehen voll hinter ihrem Bürgermeister. Wie laut es hier in der Gasse würde, wenn eine Familie mit neun Kindern da einzöge? Dass davon einige schon junge Erwachsene sind, beruhigt sie nicht. Die Zahl muslimischer Einwohner würde sich schnell vervielfachen, meint einer. "Die bringen Konflikte", sagt der ältere Herr. Und ob die Abu El Hosnas sich das überhaupt leisten könnten? Im Internet lese man anderes. "Wenn er die Abgaben nicht zahlt, bekommst ihn nicht mehr heraus", sagt einer der drei (goldenes Ketterl, Poloshirt).

Denken alle Weikendorfer so? Viele Bewohner sind wochentags gar nicht anzutreffen. Sie fahren täglich zur Arbeit nach Wien, über die Bundesstraße 8 zwischen Spargel- und Getreidefeldern vorbei an Gänserndorf und Strasshof an der Nordbahn, dann über die S2 zur Bundeshauptstadt – und abends retour. Um 17 Uhr staut es sich vor Eurospar und Hofer in Gänserndorf, den für die Weikendorfer nächstgelegnen Lebensmittelgeschäften.

Ein Gasthaus

Die Bevölkerung in Weikendorf wächst aufgrund der Nähe zu Wien leicht – und in der seit 1970 aus vier Ortsteilen bestehenden Gemeinde ist immerhin noch ein Gasthaus in Betrieb. Am Samstag feiert es 25-Jahr-Jubiläum. Der Musikverein spielt auf, ein Vertreter der Wirtschaftskammer kommt vorbei.

"Bei uns geht's friedlich zu", sagt eine Frau im schwarzen T-Shirt, im Gastraum an die Theke gelehnt. Wichtig sei, dass es "Gesetze gibt, an die sich jeder halten muss", sagt sie und zieht an ihrer Zigarette. Ein Rauchverbot träfe die meisten der etwa ein Dutzend Anwesenden hier.

Zehn Prozent Ausländer

"Die wenigsten regt auf, dass die da herziehen, sondern die Berichterstattung", meint ein Mann und nimmt einen Schluck von seinem Wieselburger-Bier. Als wären hier alle Rassisten. "Und der Bürgermeister ist sehr integer", fügt jemand hinzu.

Viele Bewohner der 2000-Einwohner-Gemeinde Weikendorf im östlichen Weinviertel pendeln beruflich nach Wien.
Foto: Christian Fischer

Ein Gast mit grauem Vollbart und ärmelloser Jacke glaubt, dass in der Kommunikation zwischen der Familie und dem Ortschef etwas vorgefallen sein muss. "So wie man in den Wald hineinruft, so ruft man zurück", sagt er. Bürgermeister Zimmermann hätte ja sonst bislang "auch jedem Türken den Zuzug verweigern können". Und Türken habe man hier so einige. Rund zehn Prozent Ausländeranteil gibt es in Weikendorf, das entspricht ziemlich genau dem Niederösterreich-Schnitt.

"In Wien kein Haus gefunden"

Mit Sorge beobachtet Khalid Mansor Abu El Hosna, derzeit wohnhaft bei Freunden in Wien, die Entwicklungen. "Wir haben ein Haus gesucht, das für alle groß genug ist, aber in Wien keines gefunden", sagt er. Dass seine Familie solche Ablehnung erfährt, lässt ihn fragen: "Ist das wirklich Österreich, die Erste Welt? Hier gelten Menschenrechte."

Die Familie floh 2010 aus Palästina nach Österreich. Herr Abu El Hosna erzählt von seiner Hochschultätigkeit, zählt im Detail auf, was seine älteren Kinder arbeiten oder studieren. Aber er fürchtet: "Meine Frau und meine Kinder wären hier isoliert. Wir sind nicht willkommen." Dennoch würde er herziehen und auf tolerante Begegnungen hoffen, wenn das Land den Kauf gewährt.

Angegraute Fassade

Das aus zwei Gebäudeteilen bestehende Haus, für das er mit zwei Söhnen einen Kaufvertrag unterzeichnet hat, ist schon etwas in die Jahre gekommen, die ehemals weiße Fassade des zweigeschoßigen Baus angegraut, die Fensterscheiben staubig-milchig. Große Teile des Vorgartens haben Fichten und zwei wuchernde Rosenbüsche in Beschlag genommen.

Die Gemeinde hat noch bis Ende kommender Woche Zeit, die Stellungnahme des Bürgermeisters zu überarbeiten und erneut einzubringen. In dem Ort hat die ÖVP mit 13 Mandaten das Sagen, die SPÖ hat fünf, die FPÖ eines von 19 Gemeinderatsmandaten. Was in dem Schriftstück stehen wird, dem wagt Vizebürgermeister Robert Jobst (ÖVP) nicht vorzugreifen. Kommende Woche ist der Ortschef zurück aus dem Ausland. Jobst bekennt, dass Zimmermanns Worte "bissl unglücklich gewählt" wurden. "Mit Ausländern oder Andersgläubigen haben wir kein Problem", sagt er. Man sei ja nur einen Steinwurf von der March und der Slowakei entfernt.

"Es gibt nichts" im Ort

Warum es die Familie ausgerechnet an diesen Flecken Erde zieht, ist Jobst suspekt: "Es gibt nichts, was die Ortschaft interessant macht. Es sind drei Kilometer bis zum nächsten Lebensmittelhändler." Für einen, der da aufgewachsen ist, sei das etwas anderes. Es gibt Jagd- und Fußballvereine, die Feuerwehr. Und es gibt die Kirche.

Christoph Pelczar, seit 17 Jahren Pfarrer in Weikendorf und zudem "Rapid-Pfarrer", ist wenig optimistisch.
Foto: Christian Fischer

In dem gelben Gotteshaus mit dem großzügigen Vorplatz unter alten Kastanien, mit Pestsäule, Springbrunnen und buntem Blumenbeet hat Christoph Pelzcar das Sagen. Er ist über Weikendorf hinaus bekannt als Rapid-Pfarrer, der im Allianz-Stadion den interreligiösen Andachtsraum betreut sowie Rapid-Spieler selbst, ob Christen oder Muslime.

Was den quirligen Geistlichen, der im Sportleiberl die Tür zum ehemaligen Benediktinerkloster öffnet, unerklärlich ist: dass der Bürgermeister ihn in dieser Sache nicht zurate gezogen hat. "Bei vielen Entscheidungen fragt er mich um meine Meinung. Diesmal nicht", stellt Pelzcar, auch Ehrenbürger von Weikendorf, fest.

"Noch nie jemand benachteiligt"

Den Bürgermeister kennt er als korrekten Menschen, den Ort als bunt und offen. "Ich bin hier seit 17 Jahren. Das gab's noch nie, dass jemand aufgrund der Religion oder Sprache hier benachteiligt wurde", sagt der 43-Jährige, der 1996 von Krakau nach Österreich kam. Seit der Flüchtlingswelle 2015 seien aber auch "Ängste da – weil die Medien das fantastisch präsentiert haben".

Was wird in Weikendorf geschehen, sollte Familie Abu El Hosna herziehen? "Dann sind sie mutig", stellt der Pfarrer fest. Er wäre gern willkommen, wo er hinziehe. "Mit dieser Vorgeschichte wird es absolut schwierig." Nach kurzem Überlegen fügt der Geistliche hinzu: "Wäre die Familie auf einmal einfach dagestanden, wäre das alles kein Problem gewesen." (Gudrun Springer, 10.6.2019)