Anfang der Woche fand "10.000 Chancen" statt: 69 Firmen, tausende Suchende, mehrere Hundert Gespräche parallel auf 8000 Quadratmetern.

Foto: 10.000 Chancen

Bernhard Ehrlich an seinem Jobday für Arbeitsuchende.

Foto: 10.000 Chancen

Besucherinnen und Besucher vor der Marx Halle in Wien.

Foto: 10.000 Chancen

Ich will, dass Menschen wieder Menschen treffen." Klingt naiv-romantisch, wenn es um immer stärker automatisierte Bewerbungsprozesse geht – funktioniert aber. Hier vor Ort, in der riesigen Wiener Marx-Halle beim Jobtag "10.000 Chancen". Recruiter von 96 Unternehmen treffen auf ein paar Tausend Menschen, die schon lange arbeitslos sind oder die sich nirgends am Arbeitsmarkt einfädeln können. Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat sogar ganze Kohorten gesandt. Nicht alle sind happy – sie hofften auf den Job sofort.

Initiator und Veranstalter Bernhard Ehrlich (er spricht von 7000 Jobsuchenden hier) wuselt auf der lauten Fläche herum, gibt Interviews, spielt die multimediale Medienorgel und sieht nach dem Rechten. Geduldiges Warten in langen Schlangen bestückt mit Lebenslauf und Hoffnung, meistens recht ausführliche Gespräche.

Die meisten sind zufrieden

Die meisten Firmenvertreter sind happy. Libro etwa hat bis Mittag sechs konkrete Kandidaten, Hornbach berichtet Ähnliches. Ad hoc rekrutiert wird nicht, aber Folgetermine werden vereinbart. Subway ist noch nicht ganz zufrieden – es will bisher niemand die Lehre Systemgastronomie machen, es kommen "nur" Ältere, die eine Vollzeitstelle suchen. Ein anstrengendes Geschäft, hier bei "10.000 Chancen" – es wird parallel die Bühne bespielt, mit Kontaktdaten von Bewerbern stimme es manchmal nicht, es ist drinnen so heiß wie am Sommertag draußen. Aber: Die, die hier sind, haben nicht nur offene Positionen, sondern auch ein Anliegen – denen Chancen und Perspektiven zu bieten, für die sie nicht vom Himmel fallen.

Insgesamt, sagt Ehrlich, gebe es hier 3500 Jobs. Besetzungsquoten mag er jetzt nicht prognostizieren. Es gehe grundlegend um ein "anderes Bild von Menschen" abseits von Stereotypen und algorithmischen Passgenauigkeiten.

Wie alles begann

Begonnen hat alles 2015, als so viele Geflüchtete gekommen waren. Ehrlich wollte den jungen Asylberechtigten unbedingt schnell unbürokratisch Jobs und Lehrstellen verschaffen. Und wieder: Der damalige Medienmanager kurbelt, und "10.000 Chancen" war geboren und ist mittlerweile auch in den Bundesländern vertreten. Nach der Hotellerie und dem Lebensmitteleinzelhandel kam dann auch das AMS an Bord.

Der aktuelle Jobday "10.000 Chancen" ist quasi eine Erweiterung des Anliegens. Seine Partner und Sponsoren haben ihm davon abgeraten, ältere, lang Arbeitslose in so einen Tag zu "packen": "Die Firmen wollen diese deine Arbeitslosen nicht", berichtet Ehrlich von den Reaktionen auf seinen Plan. Er war nicht davon abzubringen. "Bauchfleck total, oder es klappt." Er fand Finanziers für die Halle, die Stadt Wien machte mit.

Anerkennung von Erfahrung

Wenn – oft ausgesprochen – 40-Jährige schon "zu alt" sind, echauffiert sich Ehrlich, "soll dann vielleicht das halbe Land in ein paar Jahren stempeln gehen"?

Die Akzeptanz des Faktums demografische Kurve – die über 50-Jährigen, eine stetig steigende Gruppe der Arbeitslosen, stellen bald die halbe Bevölkerung – sei kaum durchgedrungen. Dass alte Strukturen wie Vorrückungen und Sozialsysteme dazu nicht mehr wirklich passen, ja. Aber: "Es geht um andere Menschenbilder, um das Anerkennen der Erfahrung." Vielleicht, verlangt er weiter, "wollen wir endlich schauen, was Menschen erlebt haben, dass sie so oder so angeschlagen sind. Das können wir doch nicht einfach so stehenlassen." (Karin Bauer, 7.6.2019)