Pamela Rendi-Wagner gelingt es nicht, die parteiinterne Diskussion über ihre Rolle zu beenden.

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Altkanzler Franz Vranitzky will der SPÖ-Führung noch seine Meinung sagen.

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Der 63-jährige Gerhard Zeiler lebt in London und Salzburg – und wäre bereit, nach Wien zu übersiedeln.

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Wien – Von Franz Vranitzky kommt ein klares Dementi. Er betreibe definitiv nicht die Ablöse von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner durch Gerhard Zeiler. Es sei allerdings richtig, dass ihn die Frage, wie die SPÖ aufgestellt sei und in welchem Zustand sie in den Wahlkampf eintrete, sehr beschäftige. "Da geht mir viel durch den Kopf", sagt Vranitzky im STANDARD-Gespräch. Und er plane auch ein Gespräch mit der Parteiführung. Dieses Gespräch werde er als Privatmann führen, nicht in Vertretung einer Parteiorganisation. Vor 22 Jahren habe er sich von der Parteispitze zurückgezogen, das Schicksal der Partei bewege ihn aber immer noch. Einen Termin für dieses Gespräch gebe es bereits.

Gerhard Zeiler sei bereits seit dem Abtritt von Werner Faymann im Gespräch, sagt Vranitzky, und es sei auch kein Geheimnis, dass er damals eher für Zeiler als für Kern gewesen sei – wie auch andere Persönlichkeiten in der SPÖ. Die Partei habe sich damals allerdings anders entschieden, nämlich für Kern.

Zeiler ist laut Informationen des STANDARD bereits gefragt worden – und stünde zur Verfügung. Mehrere Vertreter der SPÖ waren und sind mit ihm in Kontakt, zuletzt sei auch Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl ausgeschickt worden, um Zeilers Position zu erkunden. Der sei nach wie vor bereit, sich einer politischen Herausforderung zu stellen. Für den STANDARD war Zeiler vorerst nicht erreichbar.

Mangelnde Standfestigkeit

In der SPÖ gibt es eine Lobby, die sich Zeiler als Parteivorsitzenden vorstellen kann. Er sei eine Alternative zu Rendi-Wagner, die nicht alle in der Partei für die ideale Spitzenkandidatin in einer Wahlauseinandersetzung halten. Rendi-Wagner gilt als integer und intelligent, ihre Kritiker führen allerdings ins Treffen, dass es ihr an Charisma und an rhetorischer Standfestigkeit mangle.

Auch das Team, mit dem sie sich umgibt, wird angesichts des verpatzten EU-Wahlkampfs und einiger misslungener Auftritte immer öfter infrage gestellt. Dass es der SPÖ so gar nicht gelingt, aus der aktuellen Regierungskrise Profit zu schlagen, und sie in der direkten Auseinandersetzung mit der Volkspartei unter Sebastian Kurz hoffnungslos unterlegen scheint, wird auch auf die schlechte Inszenierung von Rendi-Wagner als Frontfrau zurückgeführt.

Gut bezahlter Coach

Der SPÖ, so meinen auch die internen Kritiker, fehle es an einer glaubhaften Geschichte, an der Professionalität in der Umsetzung von Kampagnen. Dass Rendi-Wagner bei öffentlichen Auftritten ihre Natürlichkeit und ihren Charme nicht zur Geltung bringen könne, liege auch daran, dass sie schlecht gecoacht werde. Dafür zuständig sei Nedeljko Bilalic, ehemaliger Pressesprecher von Kanzler Werner Faymann und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, der sich nunmehr als Politberater selbstständig gemacht hat. Größter Kunde ist die SPÖ, die dem Vernehmen nach monatlich 20.000 Euro für seine Dienste zahlt. Der Vertrag mit Bilalic sei von der Parteizentrale aber bereits abgeschlossen worden, noch ehe Rendi-Wagner dort im November 2018 als Chefin einzog.

Ein Scherz, ein schlechter

Immer wieder ist unter SPÖ-Funktionären zu hören, ein Grundübel sei das Beraterteam, mit dem sich Rendi-Wagner umgebe. Dass Max Lercher, vor Thomas Drozda Bundesgeschäftsführer, nun Wahlkampfmanager der SPÖ werden soll, halten manche für einen Scherz. Einen schlechten, wie sie betonen.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hält sich mit Kritik an Rendi-Wagner und ihrem Team nicht zurück – hofft aber auf Besserung. Und er sei "sehr, sehr skeptisch", was eine "Messias-Lösung" anbelange, wie er im STANDARD-Gespräch sagt. Kaiser glaubt nicht, dass Zeiler die Lösung für die SPÖ sein könne. Bereits zweimal habe er sich im Parteivorstand für Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin der SPÖ ausgesprochen, dabei aber auch nicht sein Unglücklichsein über den Zustand der Partei verschwiegen. Es sei der SPÖ nicht gelungen, aus dem Scheitern der schwarz-blauen Koalition Kraft zu schöpfen und eindeutig Position zu beziehen. Die EU-Wahl ging verloren, die Umfragen sind schlecht. Kaiser: "Die Frustration reicht tief in die eigenen Kreise hinein." Die SPÖ habe es nicht zustande gebracht, eine Geschichte zu erzählen, der Neuwahlantrag sei inhaltlich nicht begründet gewesen, das sei ein entscheidender Fehler gewesen. Jetzt gelte es abzuwägen: Sind Rendi-Wagner und ihr Team in der Lage, sich zu erholen?

Nicht verstecken

Kaiser hat einen klaren Vorschlag an die SPÖ-Vorsitzende: Sie dürfe sich nicht in der Löwelstraße oder im Parlament verstecken, sie müsse hinaus zu den Menschen, sie müsse den direkten Kontakt suchen. Das Motto, wie Kaiser es formuliert: "Was interessiert mich Sebastian Kurz? Reden wir über Wichtigeres, reden wir über die Anliegen der Menschen." Rendi-Wagner müsse auf relevante Inhalte setzen, auf Gesundheit und Pflege, auf gute Arbeit und beste Bildung. Die SPÖ-Chefin müsse sich als empathische Antithese zum politischen Mitbewerber positionieren. Kaiser: "Traut sie sich das zu, dann wird die SPÖ auch wieder Tritt fassen."

Gefährlicher Putsch

Andere Spitzenfunktionäre aus der SPÖ, die nicht zitiert werden wollen, sagen ganz klar, dass nur Rendi-Wagner selbst über ihre Zukunft entscheiden könne. Die Gremien haben sich mehrfach für sie ausgesprochen, einen Putsch würde die Partei politisch nicht überleben. Das würde die SPÖ vor der Wahlauseinandersetzung entscheidend schwächen, Zeiler hin oder her. Auch wenn es viele hinter vorgehaltener Hand sagen: "Rendi-Wagner und Drozda können es nicht." Klar sei aber: "Niemand von uns kann das entscheiden. Gegen Pamela Rendi-Wagner geht es nicht."

Ausgemachte Intrige

Thomas Drozda, der angesprochene Bundesgeschäftsführer der SPÖ, hält diese Diskussion und die Kritik an Rendi-Wagner für eine ausgemachte Intrige. Die SPÖ-Vorsitzende genieße mit Sicherheit das Vertrauen der wesentlichen Akteure in der Partei, gerade die Wiener Landesgruppe und Vranitzky selbst stünden vertrauensvoll und loyal zu Rendi-Wagner.

ÖGB-Vorsitzender Wolfgang Katzian, eine ganz gewichtige Stimme in der SPÖ, hält es für einen Wahnsinn, das an die Öffentlichkeit zu tragen. "Verbesserungsmöglichkeiten gibt es, das steht fest", sagt er, "aber wir müssen diese Diskussion intern führen." (Michael Völker, 4.6.2019)