"Von den Regierungsparteien erwarte ich eine schnelle und klare Antwort, ob sie bereit sind, zu einer loyalen Zusammenarbeit zurückzufinden", sagte Italiens Premier Conte.

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Rom – "Ich bin nicht bereit, weiterzuwursteln", betonte Conte gestern an einer Pressekonferenz, die sich weniger an die anwesenden Journalisten richtete, sondern vielmehr an seine beiden Vizepremiers Matteo Salvini von der Lega und Luigi Di Maio von der Protestbewegung Fünf Sterne. Die Regierung stehe vor wichtigen Entscheiden, die Mut und eine gemeinsame Vision erforderten, erklärte der Ministerpräsident.

"Von den Regierungsparteien erwarte ich eine schnelle und klare Antwort, ob sie bereit sind, zu einer loyalen Zusammenarbeit zurückzufinden", sagte Conte. Ansonsten werde er sein Mandat in die Hände von Staatspräsident Sergio Mattarella zurückgeben. Einen konkreten Termin für die Antwort nannte er nicht.

Die rechtsradikale Lega und die grün angehauchte postideologische Fünf-Sterne-Bewegung sind ein Jahr nach der Vereidigung ihrer Regierung in fast allen politischen Fragen uneins und haben sich im Europawahlkampf nicht wie Regierungspartner, sondern wie erbitterte politische Gegner gebärdet. Mit der Umkehrung der Kräfteverhältnisse in der Regierung bei der Wahl – die Lega verdoppelte ihren Stimmenanteil, während sich jener der Fünf Sterne halbierte – haben sich die Spannungen in der Koalition der beiden populistischen Parteien noch massiv verschärft.

Drohendes EU-Verfahren

Ob die Standpauke Contes bei den zerstrittenen Vizepremiers Gehör finden wird, muss sich weisen. Als eine der wichtigen bevorstehenden Aufgaben der Regierung nannte der Premier das Verhindern des drohenden EU-Verfahrens wegen Überschreitung der Defizit- und Schuldengrenzen. Er stellte dabei klar, "dass die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts gelten, solange sie nicht geändert werden". Innenminister Salvini sieht dies ganz anders: Der Innenminister hat der EU-Kommission gleich nach der Europawahl den Fehdehandschuh hingeworfen und erklärt, dass sich Italien nicht an diese "obsoleten und veralteten" Regeln halten werde.

Ohne massiven Gesichtsverlust wird Salvini diesbezüglich nicht seine Meinung ändern können. Di Maio wiederum müsste, um die Koalition zu retten, dem Bau des Basistunnels zwischen Turin und Lyon sowie einer finanziellen Teilautonomie der norditalienischen Regionen zulasten des armen Südens zustimmen – was in seiner Protestbewegung zu einem Aufstand führen würde. Die italienische Regierung steht also gleich vor mehreren Zerreißproben – unabhängig davon, ob es Conte ernst meint mit seiner Rücktrittsdrohung.(Dominik Straub aus Rom, 3.6.2019)