In den letzten 30 Jahren sind zwei wesentliche Entwicklungen das Klima des Planeten betreffend zu verzeichnen. Erstens hat sich die wissenschaftliche Evidenz für den anthropogenen Klimawandel derart verdichtet, dass es sich heutzutage erübrigt, diesen Punkt weiter zu diskutieren. Zweitens hat die internationale Staatengemeinschaft in ihren bisherigen Bemühungen, diesem Problem tatkräftig, rasch und effizient entgegenzutreten, katastrophal versagt. Die Klimakonferenzen von Kyōto, Kopenhagen und Paris müssen als gescheitert betrachtet werden, die Ergebnisse der zahlreichen anderen UN-Klimakonferenzen seit den frühen 1990-er Jahren – zuletzt jene im polnischen Katowice – haben, gelinde gesagt, lauwarme Kompromisse erreicht.

Das grundlegende ökonomische Problem, welches es zu lösen gilt, ist Marktversagen, herbeigeführt durch einen negativen externen Effekt: Historisch war es für die Emittenten von Schadstoffen kostenlos, diese in der Atmosphäre zu entsorgen. Es ist gut dokumentiert, dass ein solches kostenloses Gemeinschaftsgut über Gebühr belastet wird, wenn es nicht möglich ist, sich auf Regeln seiner Verwendung zu einigen. Die grundlegende Idee des Emissionshandels, eines Emissionspreises oder ähnlicher Maßnahmen ist daher, den "richtigen" Preis für Emissionen zu finden, welcher die Kosten der Emissionen (Verschmutzung, Klimaschäden) mit ihren nützlichen Seiten (Stromerzeugung, Produktion von Konsumgütern) austariert. So könnte das Marktversagen korrigiert werden.

"Trittbrettfahrer" als Problem

Die bisherigen Lösungsversuche begingen den Fehler, eine wichtige Tatsache über menschliches Verhalten nicht zu berücksichtigen, nämlich dass Kooperation besser funktioniert, wenn sich die Teilnehmer auf einen gemeinsamen Beitrag zur Lösung des Problems einigen. Systeme, welche es zulassen, dass die Bemühungen einiger von sogenannten Trittbrettfahrern (die keinen Beitrag leisten) ausgenutzt werden, sind normalerweise nicht von Bestand.

Ein Beispiel: Im Rahmen des Kyōto-Protokolls haben sich die teilnehmenden Länder verpflichtet, ihre Emissionen relativ zum Basisjahr 1990 zu beschränken. Dabei ergab sich ein weites Spektrum individueller Zusagen: Während einige Länder ambitionierte Emissionssenkungen anstrebten, waren andere nur bereit, das Emissionswachstum zu deckeln. (Nebenbemerkung: Österreich versprach damals, seine Emissionen bis 2012 um 13 Prozent zu senken; tatsächlich stiegen sie um drei Prozent an, was Österreich – neben den USA und Kanada – zu einem der größten Klimazielverfehler macht.)

Hintergrund dieser unterschiedlichen Zusagen ist natürlich, dass verschiedene Staaten unterschiedliche Kooperationsbereitschaft in puncto Klimapolitik aufweisen. Die Forschung zum Phänomen der menschlichen Kooperation in den verschiedensten Bereichen hat immer wieder gezeigt, dass erfolgreiche Kooperation auf dem Konzept der Gegenseitigkeit beruht. Wir sind bereit, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, wenn wir sehen, dass die anderen dies auch und in einem vergleichbaren Ausmaß tun. Gewinnt man den Eindruck, mehr als andere beitragen zu müssen, fühlt man sich schnell ausgenutzt. Daher wurden jene Kyōto-Teilnehmer, die ursprünglich bereit waren, mehr beizutragen, zunehmend skeptischer. Verstärkt wurde diese Entwicklung dadurch, dass nach der Doha-Runde 2012 einige Staaten (Kanada, Japan, Russland und Neuseeland) aus dem Abkommen austraten – teilweise, um Strafzahlungen wegen verfehlter Klimaziele zu vermeiden. Derartiges Verhalten ist der internationalen Klimakooperation natürlich nicht dienlich.

Wettbewerb der Tugendhaftigkeit

Im Abkommen von Paris ist eine wesentliche Idee, dass teilnehmende Staaten ihre Verpflichtungen – im Rahmen eines sogenannten Pledge-and-Review-Verfahrens – periodisch nach oben adjustieren sollen. Ziel dieser Herangehensweise ist es, die Teilnehmer in einem Wettbewerb der Tugendhaftigkeit zu immer ambitionierteren Zielen zu motivieren. Studiert man die Entwicklung von Kooperation über die Zeit (also über mehrere Verhandlungsrunden), zeigt sich oft, dass anfängliche Kooperationsbereitschaft zunehmend geringer wird, wenn die Teilnehmer sehen, dass andere weniger beitragen als sie selbst. Das gewöhnliche Ergebnis dabei ist eine Negativspirale, welche in einem egoistischen Gleichgewicht endet, in dem die Teilnehmer nur ihre Eigeninteressen verfolgen.

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Bisherige Abkommen zur Emissionsreduktion führten nicht zum Erfolg.
Foto: Reuters/Peter Andrews

Die Idee der Abkommen von Kyōto und Paris beruhte auf der gegenteiligen Annahme: Man hat darauf gehofft, dass die Teilnehmer ihren Beitrag zunehmend erhöhen würden. Eingetreten ist dies natürlich nicht. Daher sind sowohl das Abkommen von Kyōto als auch jenes von Paris dem gleichen Designfehler zum Opfer gefallen: Sie haben es verabsäumt, den Teilnehmern eine gemeinsame Verpflichtung abzuverlangen, und haben es zugelassen, dass Trittbrettfahrer die Ambitionen der anderen ruinieren.

Zur Verteidigung der beiden Abkommen kann gesagt werden, dass man sich durchaus bemüht hat, eine gemeinsame Verpflichtung aller Teilnehmer zu finden. Jedoch konnte man sich auf keine gemeinsame Formel für die Emissionsreduktionen einigen – zu unterschiedlich waren die Länder im Hinblick auf Wohlstand, Emissionsvolumen und Kooperationsbereitschaft. Die Folge war, dass jedes Land sein eigenes Ziel definierte, was in etwa so ist, wie wenn jeder Autofahrer seine private Geschwindigkeitsbeschränkung wählen würde.

Preis statt Emissionsvolumen

Tatsächlich erscheint es wenig aussichtsreich, eine allgemeingültige Formel für Emissionsreduktionen aller Länder zu finden. Aber es könnte einen anderen Weg geben. Eine bisher wenig diskutierte Variante einer effektiven Klimaschutzpolitik wäre, sich auf einen gemeinsamen Mindestpreis für Emissionen zu einigen. Alle teilnehmenden Länder würden sich verpflichten, jede in ihrem Staatsgebiet emittierte Tonne CO2 mit zumindest diesem Preis zu besteuern. Dies hätte einige Vorteile:

  • Gemeinsame Verpflichtung: Ein gemeinsamer Mindestpreis würde ein faires Engagement aller Teilnehmer bedeuten und gleichzeitig niemanden daran hindern, national striktere Standards zu setzen.
  • Einfachere Verhandlungen: Anstatt ein Ziel für jeden einzelnen teilnehmenden Staat zu verhandeln (die Pariser Konvention wurde von 196 Staaten ratifiziert), müsste man sich nur auf einen einzigen Preis einigen.
  • Flexible nationale Implementierung: Die Umsetzung des CO2-Preises könnte auf nationaler Ebene erfolgen und mit bereits bestehenden Maßnahmen auf- und gegengerechnet werden (zum Beispiel Steuern auf fossile Brennstoffe, Emissionshandel, Regulierung et cetera). Einzige Bedingung wäre das Erreichen des Mindestpreises. Die Erlöse würden im Land bleiben, es bestünde also kein Risiko, teure Emissionslizenzen von anderen Ländern kaufen zu müssen, wie beispielsweise in einem globalen Handelssystem. Gleichzeitig könnten die Erlöse dazu dienen, andere Steuerlasten zu senken, das heißt, man könnte die Maßnahme durch einen "green tax shift" aufkommensneutral und verteilungsgerecht implementieren.
  • Anreizkompatibilität: Ärmeren Ländern, für die ein einheitlicher Preis eine höhere Last bedeuten würde als für reichere Länder, könnte ein Beitritt durch einen globalen Klimafonds schmackhaft gemacht werden. Trittbrettfahrer könnten durch Sanktionsmechanismen wie etwa Strafzölle von der Nichtteilnahme abgeschreckt werden.

In Fachkreisen zeichnet sich zunehmend der Konsens ab, dass ein CO2-Mindestpreis ein notwendiges Mittel sein wird, um die bisher im Raum stehenden Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen. Die "Klima- und Energiestrategie" der Bundesregierung erwähnt das Mittel eines CO2-Mindestpreises einmalig und nur im Hinblick darauf, Kohlekraftwerke zu reduzieren. Eine solche Maßnahme wurde in Großbritannien bereits 2013 implementiert und führte dazu, dass der Anteil von Kohle in der Energieproduktion von 41 auf unter acht Prozent fiel. Es gibt also bereits Belege, dass ein CO2-Mindestpreis starke Lenkungseffekte ausüben kann. Noch effektiver wäre natürlich eine Lösung auf (zumindest) europäischer Ebene, die alle Sektoren umfasst. (Florian Szücs, 4.6.2019)