Es ist durchaus notwendig, die Verwaltung zu lenken. Wie stark das ganz ohne Befassung des Parlaments in die eine oder eben auch in die entgegengesetzte Richtung gehen kann, haben der vorherige Innenminister und dessen interimistischer Nachfolger in den letzten Wochen gezeigt.

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Seit mehr als 30 Jahren weiß man um den Klimawandel – und auch darum, was man dagegen zu tun (und vor allem: was zu unterlassen) hätte. Aber richtig populär wurde das Thema nicht durch die fünf Umweltminister und vier Umweltministerinnen, die es in diesen drei Jahrzehnten gegeben hat – und schon gar nicht durch die Grünen, die sich engagiert und weitgehend vom Wähler unbedankt der Sache angenommen haben.

Populär wurde das Anliegen durch Greta Thunberg und den von ihr inspirierten Schülerstreik.

Warum das funktioniert? Weil es eben so angenehm unpolitisch wirkt, so weit weg von Politikern, Parlamenten und Parteien.

Auf denselben Effekt kann die neue Bundesregierung vertrauen, die diese Woche angelobt wird. Eine Richterin, keine Politikerin an der Spitze! Beamte ohne politische Vorhaben als Chefs der Ministerien! Institutionalisierter Stillstand, da kann wenigstens nichts schiefgehen!

Noch ehe die Regierungsmannschaft überhaupt bekannt war, hat die Kanzlerin jede Menge Vorschusslorbeeren bekommen. Schon wird spekuliert, auf wie lange Zeit man es sich mit so einer Übergangsregierung gemütlich machen kann – es gibt ja Parteien, die gar kein Interesse daran haben, dass bald neu gewählt wird.

Wahrscheinlich wird die neue Kanzlerin sogar populär sein, schließlich gibt es zu dieser nur vom Bundespräsidenten gestützten, vom Parlament aber bloß tolerierten Regierung keine Opposition.

Und damit auch keine ernsthafte politische Auseinandersetzung. Diese wird ja von den Medien stets als "Streit" verunglimpft, wobei es gleichzeitig zur Logik der Zunft gehört, den Streit zu befeuern. Das Bild, das die Bevölkerung in den letzten Jahren von der Politik gewonnen hat, ist entsprechend negativ. Wobei die Akteure gerne betonen, dass es ja keineswegs eine Politikverdrossenheit, sondern bloß eine Politikerverdrossenheit gebe – mit dem richtigen, möglichst unpolitisch wirkenden Personal werde alles gut.

Dann werden Quereinsteiger auf Parteilisten gehievt – was einmal besser – wie zuletzt mit Sarah Wiener für die Grünen – und einmal schlechter – mit Wolfram Pirchner für die ÖVP – funktioniert. Jetzt also bekommen wir eine ganze Bundesregierung aus Quereinsteigern.

Was dabei übersehen wird: Politik ist ein Geschäft, das mit Gestaltungswillen und Professionalität auszuüben ist. Es ist nicht egal, welches Menschen- und Gesellschaftsbild von einer Ministerin oder einem Minister vertreten wird. Es ist durchaus notwendig, die Verwaltung zu lenken. Wie stark das ganz ohne Befassung des Parlaments in die eine oder eben auch in die entgegengesetzte Richtung gehen kann, haben der vorherige Innenminister und dessen interimistischer Nachfolger in den letzten Wochen gezeigt.

Zurück zum Klimaschutz: Es ist nett, das Engagement fröhlicher junger Leute zu sehen. Aber umgesetzt werden muss deren Anliegen dann doch von politischen Profis. (Conrad Seidl, 2.6.2019)