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Die Rülpser und Furze von Rindern heizen das Klima an. Manche fordern: Schluss mit Fleisch! Der Forscher Ermias Kebreab arbeitet hingegen daran, dass Rinder dem Klima irgendwann drastisch weniger schaden. Kebreab ist Vorstand des Departments für Tierwissenschaften an der University of California in Davis.

Heizen das Klima an, noch: Rinder.
Foto: APA/AFP/GUILLAUME SOUVANT

STANDARD: Sie arbeiten an einem der spannendsten Projekte, um die Landwirtschaft fit für die Klimakrise zu machen. Wie soll das gehen?

Kebreab: In der Landwirtschaft ist es vor allem Methan, das zum Klimawandel beiträgt. Ich habe vor 15 Jahren in England damit begonnen zu erforschen, wie wir dieses Methan reduzieren können. Das Beste, was wir im Labor lange erreicht haben, waren minus fünf oder vielleicht zehn Prozent.

STANDARD: Und jetzt?

Kebreab: Jetzt arbeiten wir seit dem Vorjahr an einem neuen Projekt. Wir sehen, zumindest im Labor, dass Algen die Methan-Emissionen drastisch reduzieren können. Wir wussten aber nicht, ob das mit echten Tieren auch funktioniert. Also haben wir vergangenes Jahr ein Projekt mit zwölf Stieren gestartet. Die Frage war, wie viel Algen sollen wir ihnen füttern? Wir hatten keine Ahnung, keiner hat das je vorher gemacht!

STANDARD: Und?

Kebreab: Wir starteten mit kleinen Mengen, mit 0,25 Prozent des Futters. Der Ausstoß von Methan ging zurück. 95 Prozent des Methans von Rindern kommt von den Rülpsern. Die Algen blockieren die Entstehung von Methan im Magen. Daraufhin haben wir auf 0,5 Prozent erhöht, der Ausstoß ist noch stärker zurückgegangen: um 30 Prozent! Mit einem Prozent hatten wir sogar minus 60 Prozent, aber dann haben die Stiere begonnen, allgemein weniger zu fressen. Darum sind wir erst einmal bei 0,5 Prozent geblieben.

STANDARD: Und dieser Effekt hielt an? Wie lange lief das Projekt?

Kebreab: Beim ersten Test war das nur ein sehr kurzer Zeitraum, er lief über drei Monate, die einzelnen Stiere fraßen die Algen nur für zwei Wochen, die Effekte waren aber groß. Wir waren aber unsicher, ob das so bleibt. Also starteten wir diesen März einen zweiten Versuch. Er ist noch nicht zu Ende, also kann ich nicht allzu viel darüber sagen, aber bisher zeigt sich, dass die Emissionen nachhaltig niedrig bleiben.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Kebreab: Wenn das Projekt vorbei ist werden wir professionelle Verkostungen durchführen, um zu sehen, ob das Fleisch dadurch anders schmeckt. Im August können die Stiere geschlachtet werden.

STANDARD: Gehen dereinst mehr als 30 bis 60 Prozent weniger Methan?

Kebreab: Ich denke, dass wir das weiter reduzieren können. Im Moment wollen wir aber einmal sichergehen, dass sich die Tiere an die Algen gewöhnen.

STANDARD: Kann das ein Puzzle-Stück im Kampf gegen die Klimakrise sein? Ist das massentauglich?

Kebreab: Wir arbeiten mit einer anderen Institution in San Diego, die versuchen, das größer zu machen. Sie versuchen, den Lebenszyklus von Algen zu verstehen, damit das massentauglich gemacht werden kann. Wir müssen herausfinden, was die richtigen Bedingungen sind, um diese Algen zu züchten. In den nächsten drei bis vier Jahren sollten wir mehr Informationen darüber bekommen, wie man das Ganze kommerziell aufziehen kann. Derzeit ist auch ein Unternehmen in Gründung, das genau damit Geld verdienen will.

STANDARD: Sind das spezielle Algen oder einfach solche, die man überall im Meer findet?

Kebreab: Man findet diese Art von Algen in verschiedensten Teilen der Welt. Gezüchtet wurden sie bislang noch nicht, weil es keine Nachfrage gab. In San Diego wird jetzt aber geschaut, ob sich Aquakulturen dafür eignen. Man wird die Algen wahrscheinlich gemeinsam mit Fisch züchten können. Aber man könnte das Ganze auch im Meer machen, jetzt ist der Fokus herauszufinden, was besser und günstiger ist. Wahrscheinlich ein kontrolliertes Umfeld.

STANDARD: Ist vorstellbar, dass irgendwann alle Rinder in den USA damit gefüttert werden?

Kebreab: Ja, man braucht ja nicht allzu viel davon, es ist nur ein halbes Prozent des Futters. In der Viehzucht gibt es jetzt schon viele Nahrungsergänzungsmittel, in einem üblichen Cocktail aus Enzymen und Vitaminen könnte man einfach die Algen beifügen.

STANDARD: Klimaforscher sagen, wir müssen unsere Ernährung umstellen. Das wäre dann hinfällig?

Kebreab: Ich glaube sowieso, dass Leute, die heute sehr viel Fleisch essen, das weiter tun würden, ob wir jetzt eine Lösung für das Klima finden oder nicht. Aber ja, wer wegen des Klimas Bauchweh hat: Wir senken so den Fußabdruck. Wir können Fleisch dann mit gutem Gewissen genießen.

STANDARD: Es gibt andere Projekte, etwa Fleischersatz aus Soja oder anderem: Was halten Sie davon?

Kebreab: Alle Experten sagen, dass hochverarbeitete Produkte nicht gesund sind. Diese Burger auf Pflanzenbasis sind extrem hoch verarbeitetes Essen. Von ihrem Nährstoffgehalt kann man sie außerdem auch nicht mit Fleisch vergleichen. Mir ist lieber, ich esse etwas Natürliches.

STANDARD: Wer heute zu Burger King geht, geht dort aber wohl nicht hin, um sich gesund zu ernähren.

Kebreab: Ja, besser für das Klima sind sie dann allemal.

STANDARD: Was kann oder muss die Landwirtschaft noch tun, damit wir die Klimakrise beenden?

Kebreab: Da gibt es viel. In den Böden kann man mehr Kohlenstoff binden – oder den Mist von Tieren als Dünger verwenden statt Kunstdünger, das wäre schon eine große Hilfe. Kunstdünger herzustellen ist extrem energieintensiv und hat hohe Kosten für die Umwelt. Wer mit Mist und Gülle düngt, recycelt einfach die Nährstoffe.

STANDARD: Manche meinen, die Landwirtschaft müsse sich wegen des Klimawandels auf den Kopf stellen. Wie sehen Sie das? Radikaler Wandel – oder reichen Algen und natürlicher Dünger?

Kebreab: Klar kann man mehr machen, aber wir müssen im Auge behalten, was das große Problem ist: CO2, nicht Methan. CO2 ist viel schädlicher, es bleibt Jahrhunderte in der Atmosphäre, Methan verschwindet nach zehn bis zwölf Jahren. Wir müssen schauen, dass wir keine fossilen Energien mehr verbrennen. Dort ist ein drastischer Wandel angesagt. Ja, die Landwirtschaft trägt zum Klimawandel bei, global sind es 14,5 Prozent, in den USA ist die Viehwirtschaft aber nur für 4,5 Prozent der Emissionen verantwortlich. Wir müssen hier handeln, dürfen aber den Fokus nicht verlieren.

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