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Trump und die Queen im Juli des Vorjahres.

Foto: AP/Pablo Martinez Monsivais

London/Washington – Kurz vor seinem Staatsbesuch in Großbritannien hat US-Präsident Donald Trump in zwei Interviews die Brexit-Debatte angeheizt und klar Stellung bezogen. Im Gespräch mit der "Sun" erklärte er seine Sympathie für Boris Johnson als Nachfolger der aus dem Amt scheidenden britischen Premierministerin Theresa May. Im Interview mit der "Sunday Times" empfahl er notfalls einen "No-Deal"-Brexit.

"Wenn sie nicht kriegen, was sie wollen, dann würde ich rausgehen", sagte er auf die Frage, was er dem Nachfolger der scheidenden Premierministerin Theresa May raten würde. "Wenn Du nicht den Deal kriegst, den Du möchtest, wenn Du keinen fairen Deal kriegst, dann gehst Du raus." Auf dem Tisch liegt derzeit ein von May ausgehandelter Deal, der im britischen Unterhaus mehrmals scheiterte und den die britischen Konservativen als zu EU-freundlich ansehen.

"Boris würde einen sehr guten Job machen"

Zur möglichen Wahl Johnsons zum neuen Parteivorsitzenden der Konservativen und damit möglicherweise auch zum nächsten britischen Premierminister sagte Trump: "Ich kenne die verschiedenen Akteure. Aber ich denke, Boris würde einen sehr guten Job machen. Ich glaube, er würde ausgezeichnet sein", sagte Trump der "Sun". Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton warb in einem anderen Interview noch einmal eindringlich für den Brexit und stellte die Vorteile für beide Seiten heraus.

Trump gab mit der "Sunday Times" und der "Sun" Zeitungen Interviews, die zum Imperium des erzkonservativen Medienmoguls Rupert Murdoch gehören. Zu dem Konglomerat gehört auch der Trump extrem stark gewogene US-Sender Fox News. Die in den Interviews von Trump dargestellte Sichtweise entspricht exakt den Vorgaben konservativer US-Kreise, etwa in dem Think Tank "Heritage Foundation", die seit langem einen "No-Deal"-Brexit als US-Interesse darstellen. Hintergrund ist die Aussicht auf ein Handelsabkommen nach Washingtoner Geschmack, mit den zwei dann deregulierten Finanzzentren London und New York im Zentrum. Die Londoner City könnte dann nach Singapurer Vorbild zu einem Steuerparadies werden.

Dreitägiger Staatsbesuch

Der US-Präsident wird mit First Lady Melania am Montag zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Großbritannien erwartet. In dem "Sun"-Interview fügte Trump hinzu, er möge Johnson. "Ich habe ihn immer gemocht. Ich weiß nicht, ob er gewählt werden wird, aber ich denke, er ist ein sehr guter Kerl, ein sehr begabter Mensch."

Trump hatte der "Sun" bereits bei seinem letzten Besuch im vergangenen Jahr ein Interview gegeben, in dem er May düpierte. Darin warf er der Premierministerin vor, seine Ratschläge bezüglich des EU-Austritts ignoriert zu haben.

May hatte nach einem monatelangen Machtkampf rund um den Brexit vor einigen Tagen ihren Rücktritt angekündigt. Johnson brachte sich umgehend als möglicher Nachfolger in Stellung und drohte mit einem EU-Austritt ohne Abkommen.

In Umfragen galt Johnson zwar als aussichtsreichster Kandidat unter den bisher etwa ein Dutzend Bewerbern für Mays Nachfolge. Doch das könnte sich schnell ändern: Denn eine Richterin entschied in der vergangenen Woche, dass sich der exzentrische Ex-Außenminister wegen angeblicher Brexit-Lügen vor Gericht verantworten muss. Er soll beim Referendum 2016 und bei der Neuwahl 2017 die Briten durch falsche Zahlen in die Irre geführt haben. Bei den Vorwürfen geht es um die Summe, die Großbritannien wöchentlich an die EU zahlt.

Trumps Meinung über Johnson scheint das jedoch nicht zu beeinflussen. Er sagte der "Sun", auch andere Kandidaten hätten ihn um Unterstützung gebeten. Namen wolle er aber nicht nennen.

Kritik an Trump

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, übte scharfe Kritik an Trumps Verhalten. "Das ist ein völlig unakzeptabler Eingriff in die Demokratie unseres Landes", teilte der Alt-Linke mit. Der nächste Premierminister sollte weder vom US-Präsidenten noch von 100.000 nicht-repräsentativen Mitgliedern der Konservativen Partei, bestimmt werden, sondern von den Briten in allgemeinen Wahlen." Corbyn wittert seit längerem seine Chance in Neuwahlen.

Der US-Präsident kritisierte erneut auch die Premierministerin: "Ich denke, dass das Vereinigte Königreich der Europäischen Union erlaubt hat, alle Karten in der Hand zu halten. Und es ist sehr schwer, gut zu spielen, wenn eine Seite alle Vorteile hat." Er habe gegenüber May erwähnt, "dass man sich Munition aufbauen muss".

Zugleich versicherte er Großbritannien seine tiefe Zuneigung: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein US-Präsident eurem großartigen Land näher war." Er sei in Großbritannien verliebt.

Bolton sagte der britischen Zeitung "The Telegraph", der Brexit sei sowohl für London als auch für Washington von Vorteil. "Die Präferenz der USA ist, dass Großbritannien den vom Volk gewünschten Kurs folgt und die EU verlässt", sagte er. Trump wolle mit dem neuen britischen Premierminister ein Handelsabkommen abschließen, das für beide Seiten Vorteile bringe und London von den regulatorischen Einschränkungen in Beziehung zur Europäischen Union befreie. Besonderen Wert legen konservative Amerikaner darauf, dass Großbritannien nicht Mitglied der europäischen Zollunion wird.

"Triumph der Demokratie"

Bolton bezeichnete das Ergebnis des Referendums von 2016 als "Triumph der Demokratie". "Und wenn die Beschäftigung mit dem Brexit endlich gelöst ist, gibt es keine Obergrenze für den Einfluss, den Großbritannien weltweit haben kann." Bolton fügte hinzu: "Ich denke es wird uns besonders in der NATO helfen, effektiver zu sein, und das ist ein Plus." Der Brexit biete Großbritannien die Chance, ein "starkes und unabhängiges Land" zu werden. "Großbritannien ist eine Weltmacht." Generell sähen die Amerikaner die Beziehung zu den Briten als die wichtigste an, die sie hätten. Beim Referendum hatte eine knappe Mehrheit der Briten (52 Prozent) für den EU-Ausstieg gestimmt.

Geplant sind bei dem Besuch von Trump unter anderem ein Treffen mit May und die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung in Portsmouth zum 75. Jahrestag des D-Day – der Landung der Alliierten in der Normandie im Zweiten Weltkrieg. Trumps Besuch ist hoch umstritten, daher wird mit heftigen Protesten in England gerechnet. (APA, 2.6.2019)