Überwiegt die dunkle Seite des E-Autos, wie manche meinen? Oder ist es doch ein Lichtblick für unsere Welt?

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Elektroautos als Klimasünder – mit diesem Ergebnis waren einer Studie des deutschen ifo-Instituts die Schlagzeilen sicher. Diese behauptet, dass E-Autos über ihre Lebensdauer gerechnet mehr CO2 produzieren als moderne Dieselfahrzeuge. Rasch folgte das Echo von Experten und Medien, die kritisieren, dass die mathematisch korrekten ifo-Berechnungen von absurden Grundannahmen ausgehen. Aber dazu kommen wir später.

Nicht nur um die Treibhausgasemissionen wird gestritten, Kritiker bringen auch zahlreiche andere Gründe vor, warum sie Elektromobilität für nicht zukunftstauglich halten. Besonders viele Vorwürfe drehen sich dabei um den Abbau von Rohstoffen und um Sicherheitsbedenken. Sind E-Autos also gut oder böse?

1. Die CO2-Bilanz

In einem Punkt sind alle Analysen einig: Ein Elektroauto ist erst ab einer bestimmten Laufleistung klimafreundlicher als ein Verbrenner. "Die der Herstellung der Akkus und auch die Gewinnung der dafür benötigten Rohstoffe erfordert eine Menge Energie", sagt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. "Berücksichtigt man den gesamten Fahrzeuglebenszyklus, verursachen Elektrofahrzeuge jedoch weniger Treibhausgasemissionen als fossil betriebene Kfz." Die heiß diskutierte Frage ist, ab wie vielen Fahrkilometern die C02-Gesamtbilanz besser ist. Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an. Nämlich vor allem auf vier Faktoren: Wie groß ist der Akku, wo und wie wurde er hergestellt, wie intensiv wird das Auto genutzt und welcher Strommix wird getankt. Beim Diesel oder Benziner ist primär der tatsächliche Verbrauch relevant.

Viele Variablen

Je nachdem, wie man diese Variablen setzt, erhält man ganz unterschiedliche Ergebnisse. Eine Metastudie des International Council on Clean Transportation (ICCT) aus dem Vorjahr analysierte elf einzelne Untersuchungen aus den Jahren 2011 bis 2017 und kam zu dem Schluss, dass ein Elektroauto nach 150.000 Kilometern durchschnittlich 28 bis 72 Prozent weniger CO2 verursacht hat als ein Verbrenner. Die höheren Emissionen der Batterieproduktion werden demnach im Schnitt nach zwei Jahren ausgeglichen.

Damit eine Berechnung auch nach vielen Jahren eine bessere Gesamtbilanz für den Verbrenner ergibt, wie in der oben erwähnten ifo-Studie, muss man schon alle Schrauben "optimal" einstellen: Man vergleicht einen Tesla Model 3 (473 PS) mit einem Mercedes C220 (194 PS), nimmt den größten erhältlichen Akku an (75 kWh), schätzt den CO2-Ausstoß der Batterieproduktion hoch ein, geht von einer sehr kurzen Lebensdauer des Akkus aus und lädt zu einem Drittel Kohlestrom. Zudem wird nicht der praktische Verbrauch herangezogen, sondern unrealistische Normwerte – beim Mercedes rechnete das ifo mit 4,5 Liter Diesel pro hundert Kilometer. Dass auch die Herstellung von Treibstoff CO2 erzeugt, wird außer Acht gelassen.

Akku und Strommix entscheidend

Praxisnahe ist das nicht. Die Akkus der in Österreich meistverkauften Modelle 2018 sind deutlich kleiner (zum Beispiel 36 kWh beim e-Golf) und der Strommix ist hierzulande dank des hohen Wasserkraft-Anteils wesentlich umweltfreundlicher. Zudem ist es möglich, ausschließlich Ökostrom zu tanken. Bei der Lebensdauer der Batterien nimmt das ifo nur 150.000 Kilometer an, während Tesla mindestens 192.000 Kilometer garantiert. Auch andere Hersteller gehen von deutlich längerer Haltbarkeit aus, was von Erfahrungswerten gedeckt ist. Zudem landen die wertvollen Lithium-Ionen-Akkus, sobald ihre Leistung nachlässt, nicht auf der Deponie, sondern werden für andere Zwecke genutzt.

Über den CO2-Anfall bei der Batterieproduktion gibt es nur eine einzige Praxis-Analyse. Die Untersuchung von Ford und LG Chem kam 2016 bei einem 24-kWh-Akku auf 140 Kilo CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde. Das ifo rechnete mit 150 bis 200 Kilo. Eine große Rolle spielt, wo die Batterie erzeugt wird: Derzeit stammen viele Akkus aus China und Südkorea, wo der Strom vor allem aus fossilen Rohstoffen produziert wird. Tesla wiederum behauptet, nur Ökostrom zu verwenden.

Wird der Strom schmutziger?

Ein Argument, das man immer wieder hört, ist, dass der höhere Strombedarf durch Elektroautos nur durch Fossil- und Atomstrom gedeckt werden könne. Eine Studie der TU Wien kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass der österreichische Strombedarf bis 2030 komplett mit erneuerbarer Energie abgedeckt werden kann, wenn dieses Ziel verfolgt wird.

Nichts für Wenig-Fahrer

Ein Kritikpunkt ist allerdings berechtigt: Dass der CO2-Ausstoß pro Kilometer bei Elektroautos mit null angegeben wird, ist irreführend bis falsch. Emissionsfrei sind sie nicht. Wer sein Auto sehr wenig nutzt, tut der Umwelt mit einem E-Modell wohl nichts Gutes. Dasselbe gilt, wenn man einen extra großen Akku nimmt, dessen Reichweite man nur bei Urlaubsfahrten ausnutzt.

2. Die Rohstoffe

Alle derzeit üblichen Fahrzeug-Akkus benötigen Lithium, die meisten auch Kobalt und viele andere Rohstoffe wie Aluminium oder Nickel. Der Abbau dieser Metalle steht vielfach in der Kritik – teilweise zu Recht, teilweise nicht.

Lithium aus Stein und Lauge

Derzeit wird Lithium vor allem in Südamerika und in Australien abgebaut. Dabei gibt es verschiedene Abbau-Techniken. In Australien wird Lithium aus Gesteinen gewonnen, die auch andere wertvolle Rohstoffe enthalten. In Chile und Argentinien findet man Salzseen und unterirdische Salzlaugen, die einen beträchtlichen Anteil Lithiumchlorid enthalten. Diese Laugen pumpt man an die Oberfläche und lässt sie verdunsten, um an weiterverarbeitbare Lithiumverbindungen zu kommen – der deutlich einfachere und billigere Weg als in Australien. Dass ein solcher Eingriff dem Ökosystem nicht guttut, liegt auf der Hand. Es ist aber umstritten, wie viel Schaden die Umwelt nimmt.

"Ja, es gibt auch bei E-Autos eine Rohstoffthematik", meint dazu Ingmar Höbarth vom Klimafonds. "So wie bei jedem Produkt, das wir kaufen. Die Liste der Umwelt- und sozialen Probleme von fossilen Quellen ist vermutlich hundertmal so lang und gravierend." Gleichzeitig kritisiert er das Reichweiten-Wettrüsten: "Wir dürfen nicht in die Falle der großen Batterien tappen. Die Batteriegröße darf nicht die neue Vergleichsgröße à la PS werden." In Zukunft kann Lithium übrigens vielleicht aus Meerwasser gewonnen werden. Darin ist es nur in Spuren enthalten, praktikable Techniken zur Extraktion werden noch erforscht.

Kein Kobalt ohne Kongo

Noch umstrittener als die Lithium-Gewinnung ist der Abbau von Kobalt. Dieses ist sehr selten, die mit Abstand größten Vorkommen gibt es in der Demokratischen Republik Kongo. Derzeit liefert der Kongo rund 60 Prozent des weltweiten Bedarfs. Beim Abbau und der Weiterverarbeitung in Afrika mischt China intensiv mit. Für den Rest der Welt ergibt sich daraus eine gewisse Abhängigkeit. Problematisch ist aber vor allem, dass Medien und NGOs wiederholt aufdeckten, dass auch Kinder unter widrigsten Umständen im Kongo Kobalt abbauen. Positiv sind immerhin einige Entwicklungen: Kinder arbeiten vor allem im unregulierten Kleinbergbau, dessen Anteil in den letzten Jahren stark gesunken ist. Durch den öffentlichen Druck sind die großen Autokonzerne gezwungen, zu reagieren, und versuchen, ihre Lieferketten zu überwachen. Verlässliche Zertifikate gibt es aber derzeit noch nicht.

Gleichzeitig wird an Akkus gearbeitet, die ohne Kobalt auskommen. Dazu gibt es verschiedene Technologien – manche sind noch nicht ausgereift, andere werden schon eingesetzt. Sie erreichen aber bei gleicher Größe nicht die Kapazität von kobalthaltigen Batterien.

Zweite Karriere für Akkus

Dass es nicht möglich ist, die Batterien von E-Autos zu recyceln, wie oft behauptet wird, ist schlichtweg falsch. Theoretisch kann ein sehr großer Anteil der Rohstoffe eines Akkus rückgewonnen werden. Praktisch wird das derzeit nicht ausgenutzt: Erstens gibt es noch sehr wenige Stromspeicher, die am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind, und zweitens ist Recycling bei vielen Materialien nicht wirtschaftlich. Lithium abzubauen ist beispielsweise billiger, als es wiederzugewinnen. Die EU hat allerdings bereits Pflicht-Recyclingquoten angekündigt.

Die wenigen ausrangierten Batteriemodule, die schon auf dem Markt sind, starten zudem fast immer eine zweite Karriere. Oft werden sie zu stationären Hausspeichern umgebaut, wo das Verhältnis von Kapazität zu Gewicht nicht so wichtig ist wie bei Fahrzeugen. Andere werden zu Hunderten zusammengeschlossen und bilden Stromgroßspeicher, die helfen, die Stromnetze stabil zu halten.

Diskussion als Chance

Am Resümee, dass die Rohstoffbranche leider schmutzig ist, führt kein Weg vorbei. Ob die Ölförderung mehr oder weniger negative Begleiterscheinungen hat als der Lithium- und Kobaltabbau, lässt sich nicht seriös vergleichen. Der einzige kleine positive Aspekt ist, dass die Diskussion um Auto-Akkus zumindest mehr Aufmerksamkeit auf Probleme gelenkt hat, die es auch schon davor gab. Schließlich werden die benötigten Metalle auch für zahlreiche andere Anwendungen genutzt – zum Beispiel Lithium in Glas und Schmiermitteln sowie Kobalt in Legierungen, die man auch in konven tionellen Autos findet.

3. Die Sicherheit

Sicherheitsbedenken gegenüber Elektroautos betreffen vor allem die Brandgefahr durch Akkus sowie Gefahren, die vom Strom ausgehen. Der meistverwendete Typ Lithium-Akkus birgt prinzipiell die Gefahr des Überhitzens. Fehlerhafte Akkus können deshalb von selbst in Flammen aufgehen – in Handys und Laptops ebenso wie in Autos.

Benzin brennt besser

Die Brandgefahr dürfte aber dank moderner Akku-Technik deutlich niedriger sein als bei benzin- und dieselbetriebenen Autos. Denn während jedes brennende Elektroauto Schlagzeilen macht, gehen alleine in Österreich pro Tag durchschnittlich fünf konventionelle Autos in Flammen auf, besagen Zahlen des Bundesfeuerwehrverbands. 2017 kam Martin Winter vom Forschungszentrum Jülich zu dem Ergebnis, dass es beim klassischen Verbrennungsmotor zu 90 Fahrzeugbränden pro eine Milliarde gefahrener Kilometer kommt, während Tesla bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt nur sechs Akkubrände verzeichnete, also gerade einmal zwei Brände pro eine Milliarde Kilometer.

Herausforderung für Rettungskräfte

Ernster ist da die Gefahr, die von den unter Spannung stehenden Bordleitungen ausgeht. Zwar sollten sich die Batterien bei einem Unfall selbst vom Bordnetz trennen, falls das aber nicht nach Plan funktioniert, kann sogar die Karosserie unter Strom stehen. Bis zu 600 Volt beträgt dabei die Spannung – ein großes Risiko für Rettungskräfte. Feuerwehren bestätigen, dass sich durch E Autos ein zusätzlicher Aufwand beim Retten von Personen und beim Löschen ergibt. Einsatzkräfte müssen speziell geschult und ausgerüstet werden. Ein Rat an Fahrer von E-Autos ist, die Lage des Zentralschalters für das Bordnetz zu kennen – dann können sie es, wenn nötig, selbst abschalten oder Retter auf den Schalter hinweisen.

Die Angst, sich beim Laden einen Stromschlag zu holen, ist dagegen unbegründet, solange man nicht auf eine mangelhafte Ladestation Marke Eigenbau setzt. Strom fließt erst, wenn das Kabel sowohl beim Auto als auch bei der Ladestation richtig steckt. Vorsichtig sein sollte man, wenn man ein Auto an einer Haushaltssteckdose lädt. Wenn diese nicht extra auf die starke und lange Beanspruchung ausgelegt ist, können Leitungen überhitzen.

Eine Stimme für stumme Autos

Dass Elektroautos leise sind, ist einerseits ein Vorteil, andererseits aber auch eine Gefahr, wenn man sie nicht kommen hört. Bald ist damit allerdings Schluss: Ab Mitte 2019 müssen alle neuen Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenautos in Europa mit einem System ausgestattet sein, das bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h künstlich ein Fahrgeräusch erzeugt. Bei höherer Geschwindigkeit soll das Rollgeräusch ausreichend sein, um Autos rechtzeitig zu hören. Ältere Modelle dürfen noch bis Mitte 2021 ohne ein solches System verkauft werden. Die USA setzen auf eine ähnliche Regelung, die aber erst ab 30 km/h greift.

Fazit: Sind E-Autos nun gut oder böse?

Das Leben ist nicht schwarz-weiß, und auch Elektroautos sind es nicht. Während manche Vorwürfe gegen Elektroautos aus der Luft gegriffen sind, gibt es auch berechtigte Kritikpunkte. Wie so oft kommt es auf die persönliche Nutzung an. Eine "gute" Wahl ist ein E-Auto jedenfalls nur dann, wenn man es wirklich braucht. Ein Zweitauto, das nur in der Garage steht, wird dem Rohstoff- und Energieverbrauch bei der Erzeugung nicht gerecht. Und wenn man die Möglichkeit hat, seine Wege per Fahrrad, Bahn & Co. zurückzulegen, ist das aus Umwelt- und gesellschaftlicher Sicht immer die bessere Wahl, als alleine mit einem tonnenschweren Gefährt unterwegs zu sein.