In Deutschland eine Kippa zu tragen birgt mancherorts Risiken.

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Berlin – Der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Regierung, Felix Klein, hat die Bürger aufgerufen, am kommenden Samstag Kippa zu tragen. Damit setze man ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit Juden und trete für die uneingeschränkte Religionsfreiheit und gesellschaftliche Vielfalt ein, sagte Klein den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Dienstag.

"Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger in Berlin und überall in Deutschland auf, am kommenden Samstag, wenn in Berlin beim 'Al-Quds-Tag' wieder in unerträglicher Weise gegen Israel und gegen Juden gehetzt wird, Kippa zu tragen", sagte Klein. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, stufte Solidaritätsaktionen wie "Berlin trägt Kippa" zwar als sinnvoll ein, doch reichten diese nicht aus. Antisemitismus müsse auf vielen Ebenen bekämpft werden, sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Aufruf zur Vorsicht

Angesichts der Diskussion über das öffentliche Tragen der Kippa riet Schuster Kindern und Jugendlichen zur Vorsicht. In manchen deutschen Großstädten sollten sie "lieber eine Mütze über die Kippa ziehen". Er selbst tue das auch seit Jahren. "Wenn auf das Problem jetzt von staatlicher Seite hingewiesen wird, wird die Lage hoffentlich so ernst genommen, wie sie ist."

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag, die staatlichen Institutionen müssten dafür Sorge tragen, dass Menschen überall in Deutschland sicher eine Kippa tragen können. "Der Staat hat zu gewährleisten, dass die freie Religionsausübung eines jeden möglich ist." Jeder Mensch solle sich an jedem Ort des Landes auch mit einer Kippa sicher bewegen können. "Zu dieser Verantwortung stehen wir."

"Gesellschaftliche Enthemmung"

Klein rief dazu auf, an der Berliner Demonstration gegen den "Al-Quds-Tag" teilzunehmen. Hintergrund der antiisraelischen Proteste ist die Besetzung Ostjerusalems durch Israel im Sechstagekrieg 1967. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem.

Klein hatte zuvor geraten, Juden sollten sich nicht überall in Deutschland mit der Kippa zeigen. Er begründete das mit der "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung", die ein fataler Nährboden für Antisemitismus sei.

Die Kippa, eine kleine kreisförmige Mütze, wird von jüdischen Männern als sichtbares Zeichen ihres Glaubens auf dem Scheitel getragen. "Wenn Politik und Gesellschaft mit vereinten Kräften gegen Antisemitismus vorgehen, dann haben wir eine echte Chance, diesen Kampf zu gewinnen", sagte Klein.

Anstieg antisemitischer Straftaten

2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland stark gestiegen. Das "sollte für jeden in Deutschland ein Anlass zu großer Sorge sein", sagte Regierungssprecher Seibert. Jede einzelne dieser Straftaten sei ein Angriff auf die menschliche Würde.

Im April war ein kippatragender Israeli in Berlin von einem syrischen Flüchtling mit einem Gürtel geschlagen worden. Der Vorfall sorgte für Empörung, weil er in einem Video dokumentiert wurde.

faz

(red, APA, 28.5.2019)