Das Ergebnis der Europawahl hat bestätigt: Drei Jahre nach dem knappen Ausgang des Brexit-Referendums bleibt Großbritannien ein gespaltenes Land. Zurecht ließ sich der frühere Ukip-Boss Nigel Farage für das hervorragende Abschneiden seiner neuen Brexit-Party feiern. Mit dem traurigen Rest von Ukip sowie einigen rechtsradikalen Splitterparteien kommen die Befürworter des chaotischen EU-Austritts ohne jede Vereinbarung ("no deal") auf rund 36 Prozent. Wer die Anhänger des EU-Verbleibs addiert, kommt auf etwas mehr als 40 Prozent. Dazwischen stecken jene Parteien, Konservative und Labour, die mehr oder weniger gründlich nach einem möglichen Brexit-Kompromiss gesucht haben. Ihr gemeinsamer Stimmenanteil bei der Unterhauswahl vor zwei Jahren lag bei 82 Prozent. Diesmal blieben jämmerliche 23 Prozent übrig.

Das liegt in erster Linie an der Haltung der beiden Blöcke, die seit Jahrzehnten die britische Politik dominieren. Labour hat sich bis heute nicht entschieden, welche Konsequenz man aus dem 52 zu 48-Votum von 2016 ziehen soll. Die scheidende Tory-Premierministerin Theresa May redete lang davon, No Deal sei eine echte Option. So lang, bis weite Teile der Bevölkerung – vor allem auch ihre eigene Partei – den Unsinn zu glauben begannen. Dass May am Ende doch vor dem Sprung in den Abgrund zurückschreckte, ehrt sie, kostete sie aber jede Glaubwürdigkeit.

EU-Wahl wird nicht ernstgenommen

Die Wahl zum nationalen Parlament lässt sich nicht vergleichen mit dem Votum für Abgeordnete einer Volksvertretung, die von den Briten bis heute nicht ernstgenommen wird. Dass die Wahlbeteiligung von 34,2 Prozent vor fünf Jahren auf gerade mal 37 Prozent stieg, zeugt nicht gerade von Begeisterung für Europa. Aber der Prozentanteil der Brexit-Party lag nur etwa vier Prozent über jenem von Ukip vor fünf Jahren. Ein knappes Jahr danach bei der Unterhauswahl gewannen die EU-Gegner gerade mal ein Mandat.

Die Briten wissen sehr genau zwischen den verschiedenen Wahlen zu unterscheiden, die ja mit nach sehr unterschiedlichem System ausgefochten werden. Gäbe es noch in diesem Jahr Neuwahlen, müssten Farages Brexiteers bohrende Fragen beantworten: Was wollt Ihr mit dem Land anfangen? Wer soll mehr, wer weniger Steuern bezahlen? Wie haltet Ihr es mit dem nationalen Gesundheitssystem, dem Klimaschutz, dem Erziehungswesen? Dann werden sich seine zusammengewürfelten Volksvertreter, frühere Kommunisten wie erzreaktionäre Ex-Konservative, ganz schnell in den Haaren liegen.

No Deal kann keine Option sein

Das ändert nichts an der Tatsache: Irgendwie muss der oder die neue Vorsitzende der Konservativen einen glaubwürdigen Weg aus der Brexit-Blockade finden. Wenn man alle bombastische Parolen beiseite räumt, bleiben zwei Möglichkeiten: ein glaubwürdiger Kompromiss mit Labour-Abgeordneten über eine weiche Form des Brexit oder ein zweites Referendum.

Für einen verantwortungsbewussten Regierungschef kann der No Deal keine Option sein. Daran ändern auch Nigel Farage, die Brexit-Ultras bei den Konservativen und deren Verbündete in den Medien nichts. (Sebastian Borger, 27.5.2019)