Bild nicht mehr verfügbar.

Van der Bellen und Kurz am Dienstag in der Präsidentschaftskanzlei.

Foto: AP/Fotograf:Michael Gruber

Niki Lauda wurde am Dienstag die wohl höchste letzte demokratische Ehre zuteil. Der Bundespräsident persönlich sprach der Rennfahrerlegende im Livefernsehen des ORF am Tag nach Laudas Tod seine Bewunderung aus. Danach auch gleich noch der Kanzler. Was das mit der österreichischen Regierungskrise zu tun hat? Eigentlich schaltete der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Pressestatement von Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz in die Präsidentschaftskanzlei, um zu erfahren, wie sie nun weiter vorgehen wollen – die beiden schoben ein kurzes Gedenken ein.

Dann ging es aber doch um die Zukunft der Republik. Und die gestaltet sich – zumindest vorerst – wie folgt: Kurz wird die fünf verwaisten FPÖ-Ministerien alsbald neu besetzen. Heinz-Christian Strache hatte bereits am Montag seinen Rückzug als Vizekanzler beim Präsidenten deponiert, Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ) wurde auf Wunsch von Kurz am Dienstag entlassen. Die restlichen blauen Minister wollten in Solidarität mit ihrem Kollegen ebenfalls gehen, dem stimmte Van der Bellen zu. Bloß Karin Kneissl – die bereits in der Vergangenheit laufend betont hatte, parteilos und nur auf einem FPÖ-Ticket Außenministerin geworden zu sein – möchte ihr Amt behalten.

Misstrauensvotum am kommenden Montag

Konkret sind jetzt also Inneres, Verteidigungsministerium, das Sozialressort, das Infrastrukturministerium sowie die Agenden Sport und öffentlicher Dienst von Strache vakant. Wer für die Posten infrage kommt? "Fachlich und über Parteigrenzen hinweg anerkannte" Persönlichkeiten, wie Van der Bellen erläuterte. Kurz war sichtlich erfreut, denn er kann diese Fachexperten laut Verfassung nun auswählen. Es gibt bloß einen Haken: Die geplante Übergangsregierung hat wohl keine Mehrheit im Nationalrat. Will heißen: Sie kann jederzeit gestürzt werden.

Und diesbezüglich liegen bereits Pläne auf dem Tisch. Die Liste Jetzt (ehemals Pilz) wird am kommenden Montag bei einer parlamentarischen Sondersitzung einen Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz einbringen. Dieses Votum gegen ein Regierungsmitglied, und dann auch noch den Chef persönlich, könnte – erstmals in der Geschichte der Republik – erfolgreich sein.

Übergangsregierung ohne Kurz

Denn die Sozialdemokraten fordern eine Übergangsregierung ohne Kurz, die ausschließlich aus honorigen Experten besteht – das ist nun nicht der Fall. Man halte sich offen, dem Regierungschef das Misstrauen auszusprechen, sollte er wirklich allein und ohne den "Dialog mit den anderen Parlamentsparteien zu suchen", eine neue Regierung angeloben. Die FPÖ droht, dass sich Kurz von seinem Exkoalitionspartner ohnehin kein Vertrauen mehr erwarten dürfe. Die Stimmen der beiden Parteien würden reichen, um ihn abzusetzen.

Darüber hinaus hat der Kanzler bereits angekündigt, auf "Spitzenbeamte und ehemalige Spitzenbeamte" setzen zu wollen. Das wurde in der SPÖ schon im Vorfeld befürchtet. Die Sorge: Kurz holt sich türkise Vertrauensleute aus dem Beamtenstab und leitet de facto eine reine ÖVP-Regierung. Dann könne er sich bis zur Wahl als strahlender Alleinherrscher gerieren.

Van der Bellen hat keinen Plan B

Apropos Wahl: Wann die stattfindet, steht noch immer nicht fest. Die Opposition ist aber auch diesbezüglich verärgert. Denn eigentlich wollten SPÖ, Neos und Liste Jetzt, dass schon diese Woche eine Nationalratssondersitzung einberufen wird. Dort kann dann auch der entsprechende Neuwahlantrag eingebracht werden. Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) stellte sich aber quer – was er kann –, und nun findet die Regierungskrise erst kommenden Montag offiziell Eingang in den Nationalrat. Van der Bellen hatte sich für einen Wahltermin Anfang September ausgesprochen.

Die Zeit drängt aus der Sicht von Kurz auch deshalb, weil die Freiheitlichen am Dienstag noch ein kleineres demokratisches Attentat verübt hatten: Kickl erließ – unakkordiert – noch schnell eine Verordnung zur Senkung des gemeinnützigen Stundenlohns für Asylwerber auf 1,50 Euro.

Sollte auch die neue Regierung am Montag platzen, hat Van der Bellen übrigens noch keinen Plan B parat, wie er sagt. Er gehe davon aus, dass die Parteien nun "sorgsam abwägen" und dass alles klappe. (Katharina Mittelstaedt, 21.5.2019)