Technokrat Nr. 1: Carlo Azeglio Ciampi

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Technokrat Nr. 2: Lamberto Dini

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Technokrat Nr. 3: Mario Monti

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Italien vor knapp drei Jahrzehnten: Die politische Landschaft liegt in Trümmern. Was im Februar 1992 mit der Festnahme eines Mailänder Lokalpolitikers begonnen hatte, der in flagranti bei der Entgegennahme von Schmiergeld erwischt worden war, breitete sich innerhalb weniger Wochen rasch über das ganze Land aus: Christdemokraten, Sozialisten, Kommunisten – so gut wie alle Parteien waren jahrzehntelang Teil eines Systems, für das der Investigativjournalist Piero Colaprico den Begriff "Tangentopoli" erfand: eine Kombination aus dem Namen des Brettspiels Monopoli und dem italienischen Wort für Schmiergeld, "tangente".

Die Folgen der Aufdeckung von Tangentopoli und der staatsanwaltlichen Operation mit dem Namen Mani pulite (saubere Hände) waren enorm – und wirken bis heute nach. Zahlreiche Politiker, bis in hohe Regierungsämter, wurden festgenommen oder gar verhaftet, ebenso ihre sinistren Partner, oftmals hochangesehene Geschäftsleute. Viele erhielten langjährige Haftstrafen. Ex-Premier Bettino Craxi setzte sich nach Tunesien ab, wo er 2000 starb.

Zerschlagen und neu gegründet

So gut wie alle großen Parteien wurden zerschlagen und mussten sich neu gründen – wenn ihre Mitglieder nicht schon davongelaufen waren. Sie hatten eines bewiesen: Sie waren nicht regierungsfähig – weder moralisch noch personell. Aus der Krise schien es keinen Ausweg zu geben.

Im April 1993 war es dann so weit: Italien bekam seinen ersten "governo tecnico" (Technokraten- bzw. Expertenregierung). Der parteiunabhängige Zentralbankgouverneur Carlo Azeglio Ciampi wurde gebeten, eine fraktionsübergreifende Koalition anzuführen. Definitorisch streng genommen war sie keine Expertenregierung, sondern ein mit Parteipolitikern besetztes und von einem Unabhängigen angeführtes Kabinett. In ihrer Substanz konnte dieses Kabinett kaum mehr bewerkstelligen, als das Land durch stürmische Zeiten zu Neuwahlen zu führen.

Berlusconis erster Versuch

Diese gewann im Frühjahr 1994 der Medienunternehmer und Society-Löwe Silvio Berlusconi. Der politische Quereinsteiger hatte eigens für den Wahlkampf die Partei Forza Italia ("Vorwärts Italien") aus dem Boden gestampft. Doch schon bald scheiterte der zum Politmessias Hochgejubelte mit seinem Versprechen, in Italien aufzuräumen: Nach nur wenigen Monaten musste er zurücktreten.

Im Februar 1995 übernahm ein weiterer Technokrat die Regierungsgeschäfte: Lamberto Dini, auch er kam von der Banca d’Italia. Im Gegensatz zur Ciampi-Regierung war seine ein echtes Expertenkabinett, u. a. mit der Industriellen Susanna Agnelli als Außenministerin und mit ihm selbst als Schatzkanzler. Dini wollte schon Ende 1995 zurücktreten, doch Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro entließ ihn erst im Mai 1996 nach vorgezogenen Wahlen, deren Sieger der Sozialdemokrat Romano Prodi war.

Ultima Ratio

Italien bekam im November 2011 – inmitten der internationalen Finanzkrise, die Italien besonders heftig zu spüren bekam – zum dritten Mal eine Expertenregierung, auch diesmal wurde sie von einem renommierten Ökonomen angeführt: Ex-EU-Kommissar Mario Monti. Der parteiunabhängige vormalige Wirtschafts- und Finanzminister regierte mit einem gemischten Kabinett aus Fachleuten und Parteipolitikern. Nach eineinhalb Jahren übergab er wieder an einen Parteipolitiker: den Sozialdemokraten Enrico Letta.

Fazit: In Rom griff man zu Technokratenregierungen nur als Ultima Ratio, wenn selbst im krisengewohnten Italien kein weiterer Ausweg möglich war.

Den Karrieren der drei tat deren Intermezzo übrigens keinen Abbruch: Ciampi wurde 1999 Staatspräsident, Dini blieb in der Politik, bevor er mit 82 Jahren in Pension ging. Und Monti ist wegen besonderer Verdienste um die Republik Italien Senator auf Lebenszeit. (Gianluca Wallisch, 22.5.2019)