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Wer hat an der Smartwatch gedreht? Das Gerät kann die Gesundheit überwachen und im Fall des Sturzes Hilfe holen – birgt aber auch Hürden.

Foto: Getty Images / Dean Mitchell

Frauen ab 65 werden künftig die am stärksten unfallgefährdete Bevölkerungsgruppe sein. Das haben Experten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit berechnet. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Lebenserwartung von Frauen ist in Österreich mittlerweile auf 84,1 Jahre gestiegen (Männer 79,3 Jahre), und mit dem Nachlassen der Muskel- und Sehkraft steigt die Gefahr von Stürzen.

Auch Demenzerkrankungen nehmen aufgrund der demografischen Entwicklung rapid zu und drücken die Unfallzahlen in die Höhe. Während etwa die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich sinkt, sind die tödlichen Unfälle im Haushalt, in der Freizeit und beim Sport in den letzten zehn Jahren um 16 Prozent angestiegen, bei älteren Personen sogar um 20 Prozent. Wobei Senioren vor allem in der eigenen Wohnung verunfallen.

Einen Schritt zur Prävention setzt hier die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) mit dem Programm "Benefit", das die Digitalisierung zur Verbesserung der Lebensqualität von Senioren nutzen soll. Konkret soll damit die Entwicklung von Kommunikationstechnologien und Dienstleistungen vorangetrieben werden, die älteren Menschen helfen, möglichst lange sicher und selbstständig in der eigenen Wohnung zu leben, auch Ambient Assisted Living (AAL) genannt.

Bettlicht- und E-Herd-Automatik

In der Steiermark wurde in diesem Rahmen das Projekt "RegionAAL" durchgeführt, in dem rund 100 Senioren und Seniorinnen ein Jahr lang verschiedene technische Hilfsmittel zur Erleichterung ihres Alltags getestet haben.

Ausgewählt und an die speziellen Bedürfnisse älterer Menschen adaptiert wurden die Geräte von den Instituten Digital und Health der Joanneum Research in Zusammenarbeit mit den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz, dem Sozialverein Deutschlandsberg, dem Pflegewohnheim Kirschallee sowie Senioren im Umfeld dieser Einrichtungen.

Mit welchen digitalen Komponenten wurden die Teilnehmer also ausgestattet, und wie ist es ihnen damit ergangen? "Besonders gut kam das Bettlicht mit Bewegungsmelder an, das sich selbstständig einschaltet und nachts den Weg zu Bad und WC beleuchtet", berichtet Josef Steiner vom Sozialverein Deutschlandsberg.

Auch die automatische E-Herd-Abschaltung mittels Temperatur- und Bewegungssensor wurde sehr gut angenommen. "Damit muss ich mir keine Sorgen mehr machen, ob ich die Herdplatte beim Verlassen der Wohnung auch wirklich abgeschaltet habe", sagt eine ältere Dame aus der Testgruppe über das Plus an Sicherheit in ihrer Wohnung. Der mobile Funk-Gong, der ein Ton- und Lichtsignal aktiviert, sobald jemand an der Haustüre läutet, wurde naturgemäß vor allem von Probanden mit Hörproblemen sehr geschätzt.

Smartwatch und Tablet

Etwas kritischer bewertet wurde dagegen die "RegionAAL Smartwatch", die nicht nur an die Medikamenteneinnahme oder ausreichende Flüssigkeitszufuhr erinnert, sondern bei einem Sturz auch automatisch eine vorher festgelegte Person informiert.

"Hier muss die Akkulaufzeit noch deutlich erhöht und die Ladedauer herabgesetzt werden", so Projektleiter Kurt Majcen von Joanneum Research Digital. Als Problem wurde von einigen Testern auch genannt, dass zwar Verwandte oder Pflegepersonen im Fall eines Sturzes informiert werden, nicht aber die Rettung, die erst von dieser Kontaktperson gerufen werden muss. "Was aber, wenn mein Kontakt gerade nicht erreichbar ist?", so die bange Frage einer älteren Besucherin.

Relativ gut angekommen ist das sehr einfach handhabbare und extrarobuste "RegionAAL-Tablet", auf dem etwa Gesundheitsdaten wie Blutdruck, Puls oder Gewicht selbst oder von der Pflegeperson eingegeben werden können. Häufiger als diese Möglichkeit nutzten die Tester allerdings die installierten Spiele und den Zugang zu aktuellen Informationen.

"Viele der Senioren wollen nach einer gewissen Eingewöhnungszeit die Geräte mit Standardinstallationen und gängigen Apps wie etwa Whats-app verwenden, wie dies auch ihre Kinder und Enkelkinder tun", schildert Josef Steiner. Insgesamt seien die Tablets aber viel weniger genutzt worden, als die Experten erwartet hatten.

Maßgeschneiderte Tools

Während der einjährigen Evaluierung haben also nicht nur die beteiligten Senioren, sondern auch die Expertinnen und Experten eine Menge gelernt. Etwa "dass weniger oft mehr ist", wie Kurt Majcen betont. Außerdem helfe die großartigste Technik nichts, wenn es keine gute Einführung, ständige Begleitung und eine Hotline gebe.

Und wie hat sich die digitale Aufrüstung auf die Selbstständigkeit der Teilnehmer ausgewirkt? "Während wir bei der Kontrollgruppe ohne Geräte nach einem Jahr einen höheren Bedarf an Fremdunterstützung feststellten, blieb das Ausmaß an Autonomie bei unseren Testsenioren gleich", fasst Kerstin Löffler von den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz zusammen.

Es zahlt sich also nicht zuletzt in (volks)wirtschaftlicher Hinsicht aus, auch die älteren Mitglieder der Digitalgesellschaft mit maßgeschneiderten Tools sanft ins digitale Boot zu holen. Die getesteten Geräte werden übrigens bereits inklusive Beratung und Betreuung von der am RegionAAL-Projekt beteiligten Firma Resch angeboten. (Doris Griesser, 26.5.2019)