Bremen war einer der letzten sicheren Häfen der SPD. Jetzt droht sie auch dort unterzugehen.

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Außerhalb von Deutschland ist Bremen nicht gerade vielen ein Begriff. Mit Fußball verbindet man die Hansestadt, vielleicht noch mit den Stadtmusikanten, Beck's Bier oder schlechtem Wetter. Ansonsten sorgt sie nicht oft für Schlagzeilen, hat in Bezug auf die Bundespolitik eher Provinzstatus. Doch jetzt wird Bremen zum Ort eines Stimmungstests für ganz Deutschland.

Am 26. Mai, wenn Bremen wählt, werden sich wohl trotzdem einige Augen gen Norden richten. Denn die Bremerinnen und Bremer entscheiden nicht nur bei den Europawahlen, sondern auch über die neue Zusammensetzung ihrer Bürgerschaft, wie der Landtag in dem Stadtstaat heißt. Das Ergebnis einer ARD-Umfrage, der Brementrend, zeigt, dass die CDU erstmals stärkste Kraft werden könnte. Die SPD liegt demnach aktuell bei nur noch 24 Prozent und damit drei Prozentpunkte hinter der CDU.

"Immer" heißt in Bremen wirklich immer

Spannend wird es also vor allem für die schwächelnden Sozialdemokraten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es ausnahmslos ein SPD-Bürgermeister, der das kleinste der 16 Bundesländer regierte. Amtsinhaber Carsten Sieling, der aktuell mit einem Bündnis aus Rot-Grün regiert, könnte der Erste sein, der sich – von einem CDU-Mann geschlagen – aus dem Rathaus zurückziehen muss. Der Kandidat der Konservativen hat also echte Chancen, CDU-Bürgermeister zu werden, und damit in Bremen der Erste seiner Art.

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SPD-Bürgermeister Carsten Sieling und sein CDU-Herausforderer Carsten Meyer-Heder im Bremer Wahlkampf.
Fotos: Reuters/Fabian Bimmer

Carsten gegen Carsten

Im Wahlkampf stehen sich SPD-Amtsinhaber Carsten Sieling, ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, und Carsten Meyer-Heder für die CDU gegenüber. Meyer-Heder ist ein Quereinsteiger. Bisher war er Unternehmer in der IT-Branche, Mitglied der CDU wurde er erst einen Monat vor Beginn des Wahlkampfs.

Am Freitag stellte Meyer-Heder einen Plan vor: Wie sähen die ersten 100 Tage aus, wenn die CDU die Regierung übernähme? Die größte Herausforderung für Meyer-Heder in Bremen? "Eines der größten Probleme ist, dass wir zu wenig Lehrer haben", sagte er der Deutschen Presseagentur. In Sachen Bildung zeigt Bremen sich immer wieder als bundesweites Schlusslicht.

Bremer wollen den alten Carsten

Bei den Bremerinnen und Bremern ist Amtsinhaber Sieling – trotz schlechter SPD-Werte und obwohl der ARD-Umfrage zufolge 59 Prozent wenig oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit des Senats sind – immer noch beliebter.

Würde der Bürgermeister (der in diesem Fall de facto auch Ministerpräsident ist) direkt ins Amt gewählt werden – was in Bremen nicht der Fall ist –, würden sich 42 Prozent für den SPD-Mann entscheiden und nur 28 Prozent für den CDU-Kandidaten. Dem Brementrend zufolge hat Sieling einen Großteil der Wähler von SPD, Grünen, Linken und auch der AfD auf seiner Seite, die Mehrheit der CDU- und FDP-Wähler bevorzugt Meyer-Heder.

Im Abwärtstrend

Wer von den "beiden Carstens", wie sie in Bremen schon genannt werden, sich schließlich durchsetzt, wird sich zeigen. Der Abwärtstrend der deutschen SPD wird sich aber wohl auch in Bremen weiter fortsetzen. Vor 20 Jahren, 1999, erzielten die Sozialdemokraten in der einstigen roten Bastion noch rund 43 Prozent der Stimmen. Ab 2003 ging es dann stetig abwärts.

Belastungsprobe für die GroKo

Auch für die Bundesregierung sind die anstehenden Wahlen wichtig. Seit der Bundestagswahl vor zwei Jahren ist die Europawahl der erste bundesweite Stimmungstest für die Sozialdemokraten und somit auch für die große Koalition. Damals erreichte die SPD bundesweit 20,5 Prozent. Spätere Umfragen ließen sie noch deutlich schlechter aussehen.

Bremens Wahlergebnis wird auch als Signal gedeutet werden. Denn im Herbst folgen Wahlen in den Ländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Osten Deutschlands. (Milena Pieper, 20.5.2019)