Eben keine Frage der Perspektive: das Wohlergehen von Balletttänzerinnen der Wiener Staatsoper.

Wiener Staatsballett

Diese Ausstellung musste zwar klein bleiben, aber dafür ist sie umso feiner geworden. Herausfordernd waren die Umstände bis zur Eröffnung: Erstens hat die Schau Die Spitze tanzt. 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper vom Theatermuseum nur zwei enge Räume zugeteilt bekommen, zweitens glüht der Skandal um die der Staatsoper angeschlossene Ballettakademie noch, drittens wird der Tanz bis heute als "zweitklassige" Kunstform betrachtet.

Die Tanzhistorikerin Andrea Amort, die den Balanceakt der Kuratierung von Die Spitze tanzt bewundernswert gemeistert hat, zeichnet – der STANDARD berichtete – auch für die Schau Alles tanzt über die Wiener Tanzmoderne verantwortlich. Darin weist die Kuratorin nach, wie sehr der Tanz eine Kunst ist, die vor allem von Frauen bestimmt wird.

Männer, die tanzen: Billy Elliot

Umso problematischer ist die Herablassung, mit der Tänzerinnen auch heute noch als "Hupfdohlen" abgekanzelt werden. Die Diskriminierungsmuster gegenüber dem Tanz bilden die historische Unterdrückung von Frauen im Kleinformat ab. Es sind Muster ohne Geschlechtergrenzen: Lange galten Männer, die sich für den Tänzerberuf entschieden, als weichlich, wie etwa Stephen Daldrys Film Billy Elliot – I Will Dance (2000) zeigte.

Die bekannte Benachteiligung von Frauen in den Künsten gilt auch für das Ballett. Da werden sie seit jeher nicht so gerne ans Choreografieren, Librettieren oder Komponieren von Musik gelassen. Als Ballerinen waren sie begehrte Stars – und Freiwild für begüterte Gönner. Erst moderne Frauen wie Isadora Duncan, Mary Wigman und Hanna Berger bis hin etwa zu Pina Bausch oder Marlene Monteiro Freitas schrieben eine andere Geschichte: jene der Selbstbehauptung.

Akademieskandal kein Thema

Heute sind Ballerinen als grandiose Künstlerinnen zu respektieren: Fanny Elßler, Anna Pawlowa oder Marcia Haydée. Und Sylvie Guillem hat sowieso alle Herren, die dachten, sie hätten sie erschaffen, immer etwas erschöpft, weil sie notorisch machte, was sie wollte. In der Ausstellung Die Spitze tanzt wird der Akademieskandal nicht aufgegriffen. Aber die Kuratorin Amort hat von vornherein ein nachhaltigeres Signal gesetzt. Ihre Ausstellung über die Tanzmoderne kann als vorab positioniertes Statement zur aufschlussreichen Ballettdokumentation gesehen werden. Eine Positionierung, die den Blick auf das Wiener Staatsballett ins Heute erweitert. (Helmut Ploebst, 17.5.2019)