Ralph Hasenhüttl braucht keine Pause.

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STANDARD: Sie haben einmal gesagt, dass Sie immer den schwierigen Weg wählen. War Southampton schwierig genug?

Hasenhüttl: Es war ein Risiko. Einfacher wäre es natürlich gewesen, einen Topklub in Deutschland zu übernehmen. Aber wenn man die Chance bekommt, als Trainer in die Premier League zu gehen, muss man die mit beiden Händen ergreifen. Ich bereue es bis jetzt noch keine Sekunde.

STANDARD: Wieso nicht einmal ein bisschen gemütlicher?

Hasenhüttl: Ich will mich fordern und die Herausforderung suchen. Rückblickend ist es eigentlich ein Wahnsinn: Ich kannte die Liga kaum, die Mannschaft gar nicht, und auch die finanziellen Möglichkeiten werden nicht sofort offengelegt. Gegen die vermeintlich leichteren Gegner hatte das Team im Dezember schon gespielt, die harten Brocken standen bevor. Es war ein Sprung ins kalte Wasser.

STANDARD: Sie waren ein unbeschriebenes Blatt. Gab es Skeptiker?

Hasenhüttl: Nein. Argwohn oder Skepsis gibt es bis zur ersten Traineransprache. Dann erkennt man als Spieler, ob der Trainer auch etwas an Wissen mitbringt. Aber man braucht schnell Erfolgserlebnisse. Ein wichtiges Zeichen war sicher der Heimsieg gegen Arsenal. Das war für viele hier ein Aha-Erlebnis.

STANDARD: Können Sie scheitern?

Hasenhüttl: Ich habe als Spieler so viel Kritik einstecken müssen, dass ich weiß, wie man damit umgeht. Es kommt auch darauf an, wie man die Themen angeht. Aus meiner Sicht verliert man keine Spiele. Entweder man gewinnt, oder man lernt.

STANDARD: Würden Sie etwas anders machen?

Hasenhüttl: Nein, mein Weg war gut so, und ich bin froh darüber. Es ist ein Privileg. Man glaubt zu Beginn, dass man in der Lage ist, jeden Verein der Welt zu trainieren. Man verbrennt sich leicht die Finger und die Karriere.

STANDARD: Sind Sie Erziehungsberechtigter oder Freund?

Hasenhüttl: Es gibt als Trainer nicht die eine Rolle, die man spielt. Es sind hunderte Rollen und Aufgaben jeden Tag. Dabei ist es wichtig, so authentisch wie möglich zu agieren. Man muss als Trainer viel einfordern, die Jungs dürfen nie in Ruhe gelassen werden. In unserer Gesellschaft hat eine Mentalität des Zurücklehnens Einzug gehalten, vor allem wenn's gut läuft. Da muss man als Trainerteam viel Energie und Zeit aufwenden, immer wieder sensibilisieren und anstacheln.

STANDARD: Alle vier Finalisten in den internationalen Bewerben kommen aus der Premier League. Ein Zufall?

Hasenhüttl: Die Top sechs in England haben schon eine wahnsinnige Qualität. Darüber hinaus werden sie in der Liga Woche für Woche sehr gefordert. In den vergangenen Jahren hatten sie gegen Saisonende oft das Problem, dass sich Verletzungen und die vielen Spiele ausgewirkt haben. Jetzt sind die Kader so gut aufgestellt, dass die Teams das abfangen können. Unterm Strich bleibt eine Qualität, die Woche für Woche auf den Prüfstand gestellt wird. Es ist kein Zufall, dass eine Mannschaft ein 0:3 gegen Barcelona aufholt oder ein 0:1 gegen Ajax. Die Teams sind so von sich überzeugt, dass das dann aufgeht.

STANDARD: Sie haben gegen Arsenal und Tottenham gewonnen, gegen Chelsea remis gespielt und gegen Liverpool verloren.

Hasenhüttl: Es waren perfekte Spiele von uns. Am Ende haben Kleinigkeiten entschieden – in die positive wie auch in die negative Richtung. Fußball ist nicht rational erklärbar.

STANDARD: Was bedeutet das perfekte Spiel?

Hasenhüttl: Wenn die taktische Umsetzung funktioniert. Aber das heißt noch nicht, dass du das Spiel auch gewinnst. In der Premier League kannst du alles richtig machen und trotzdem das Spiel verlieren.

STANDARD: Die Partie gegen Cardiff war ein Dämpfer.

Hasenhüttl: Es war ein gefährliches Spiel, da hätte alles kippen können. Wir machen gegen Ende hin den Ausgleich und kassieren dann in der Nachspielzeit noch das 1:2. Es war eine Katastrophe. Dadurch waren wir so richtig unter Druck. Wir mussten die Jungs mit vielen Einzelgesprächen auffangen.

STANDARD: Wird man vom Fußballgeschäft müde?

Hasenhüttl: Es zieht schon Energie. Ich habe hier aber eine Atmosphäre gefunden, bei der ich nicht das Gefühl habe, auf Urlaub zu müssen. Und das, obwohl ich als Teammanager auch die komplette Kaderplanung zu verantworten habe. Aber ich brauche keine Pause. Es ist zu aufregend. (Andreas Hagenauer, 15.5.2019)