Dieses Motorrad ist die Antwort auf gleich eine ganze Reihe von Fragen. Etwa: Welche Guzzi hat das feinste Handling? Oder: Welche Italienerin ist aktuell die spannendste? Oder: Mit wem würdest du gerne ein Wochenende verbringen? Nein, auch auf die letzten beiden Frage ist die Antwort nicht die junge Claudia Cardinale oder Ornella Muti, sondern Moto Guzzi V85 TT. Glauben Sie mir. Auch wenn das auf den zweiten Blick gar nicht so ausschaut.

Das ist sie, die V85 TT von Moto Guzzi.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Auf den ersten Blick ist die Sache ohnedies klar. Wenn man die V85 TT das erste Mal sieht, ist man gleich hin und weg. Wenn dann auch noch der angedeutete Adler zwischen den beiden runden Scheinwerfern vorne leuchtet, ist es sowieso gleich um einen geschehen. LED-Scheinwerfer. Natürlich. Wir gehen ja mit der Zeit, obwohl dieses Motorrad auch eine gehörige Portion retro ist. Vom Design her. Sonst nicht. Und das ist schon auch ein wenig schade, und damit sind wir beim zweiten Blick.

Die Spange in den Scheinwerfern erinnert an das Adler-Logo von Moto Guzzi.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die Armaturen haben nichts mehr mit einer klassischen Guzzi zu tun. Da gibt es keine Zeiger mehr, keine Rundinstrumente. Ein Farbdisplay thront oben über der Gabel. Frage nicht! 4,3 Zoll. Volles Programm. USB-Anschluss, und natürlich kann man die Guzzi mit einer App koppeln. Da spiegelt man sich dann das Navi auf den TFT-Schirm oder bumpert sich die Musik vom Handy in den Helm, und sogar telefonieren kann man auf diesem Eisen. Das wäre ja genau meins – damit mich die Leut' auch noch während der Ausfahrt nerven könnten. Aber gut, es zwingt einen ja niemand, das Telefon zu verbinden oder einen Helm zu kaufen, mit dem man dann telefonieren kann. Und man muss der Fairness wegen schon auch sagen, dass der Fortschritt auch auf zwei Rädern auch so seine Vorteile hat. Ja, wirklich.

Keine Zeiger mehr, dafür gibt es einen Farbbildschirm mit Konnektivititrara.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Da haben wir zum Beispiel die Traktionskontrolle und das ABS wie auch die verschiedenen Fahrmodi. Normal, Regen und Offroad bietet Moto Guzzi bei der V85 TT an und variiert dabei die Gasannahme, die Sensibilität der Traktionskontrolle und die des ABS. Im Offroad-Modus schaltet das Antiblockiersystem am Hinterrad komplett ab. Jetzt nicht, dass Sie glauben, dass die V85 TT ohne elektronische Helfer gar nicht mehr zu derfahren wäre. Ganz im Gegenteil – und damit starten wir schon hinein in eine superschmalzige Lobhudelei, die schon fast als Liebeserklärung durchgeht.

Längs-V2 und Karadan

80 PS, 80 Nm. Das sind die nackten Zahlen des 850 Kubikzentimeter großen Zweizylinders. Selbstverständlich liegt der V-Twin längs im Motorrad. So weit schmeißt Moto Guzzi die Traditionen dann doch nicht über Bord. Und der Motor hängt an einem Kardanantrieb. Das sind doch die perfekten Zutaten für eine herrliche Wochenendnudlerei, hm? Aber nicht nur, dass der Motor stark genug ist, um richtig Spaß zu machen, muss man bei 80/80/850 auch nicht dauernd Angst haben, dass man das Eisen nicht derfährt. Dazu passen die entspannt-aufrechte Sitzposition und der breite Lenker. Ganz ohne jeden Aufwand drückst du die Guzzi in die Kurve. Sie zu fahren ist ein ein Kinderspiel, ein Genuss. Mit der V85 hetzt man nicht den Berg rauf, eher ist das ein Tanzen. So eines, das auch jene Männer verstehen, denen bei der Anweisung "Vor-Seit-Schluss" schon für gewöhnlich für Stunden die Ohren zufallen.

Wenn Sie auch eine Runde mit der V85 TT ausreiten wollen, wäre bis Ende Mai Gelegenheit dazu, bei den Eagle-Days.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Gut, das kann einem bei der Guzzi nicht passieren. Im Serien-Setup klingt die schon sehr fein. Wem das nicht reicht, für den gibt es im Regal einen Titanauspuff von Arrow. Der klingt nicht nur kerniger, der ist auch deutlich leichter. Aber unter uns: braucht man nicht. Dann lieber ein paar Kofferl drauf, Alu-Heberl oder Öhlins-Stelzen, falls wer gern ein bisserl für Eindruck sorgt. Für Angeber lohnt es sich, überhaupt gleich zur Zweifarbigen zu greifen. Die schaut nicht nur abenteuerlicher aus, die hat auch von Haus aus die Michelin-Anakee-Adventure-Reifen montiert. Wer das Geld lieber in Sprit und Topfenstrudel investiert, wird aber mit der einfärbigen V85 TT mit den Metzeler-Tourance-Next-Reifen auch seine Freud' haben.

Das ist die einfärbige V85 TT mit der Serienröhre.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Auf der Straße fährt beides gut. Wer Abstecher ins Gelände andenkt, ist aber mit dem Anakee sicher besser beraten. Und das TT hinter dem V85, das steht ja nicht für Tourist Trophy, Topfen Touring oder Touren Torpedo, sondern für Tutto Terreno. Wir wollen jetzt gar nicht erst darüber nachdenken, wie das der wortgewaltige Kollege übersetzen würde, der einst aus der Tuono einen Tunfisch machte – nein, es heißt so viel wie, dass die V85 für jeden Untergrund gemacht ist.

Nicht irgendeine Reiben

Das ist zwar ein bisserl gar hoch gegriffen, denn übers Wasser fahren kann auch diese Reiben nicht, aber für die große Reise und die kleine Tour auch abseits des Asphaltbandes, oder sei es nur ein Pothole-Slalom, passt das wirklich gut. Und was noch dazukommt, das ist jetzt der Preis: Ab 12.990 Euro bekommt man die V85 TT. Und dann hat man nicht nur ein richtig feines Eisen, dann hat man eine Moto Guzzi. Eine echte. Und da sagen die Leut' immer, Stil könne man nicht kaufen. (Guido Gluschitsch, 15.5.2019)

Heiße Ripperln ...
Foto: Wolf-Dieter Grabner