Linz. Das Lächeln hält, die Stimme nicht: Andreas Schieder auf Wahlkampftour

Werner Dedl

Linz – Die Stimme ist hörbar angeschlagen. Doch wer nach Brüssel will, hat keine Zeit für einen Durchhänger auf Stimmbandebene. "Ich kenn das von mir, das bleibt dann so und wird auch nicht mehr schlechter" – Andreas Schieder ist also an diesem späten Frühlingsnachmittag sichtlich um Optimismus bemüht. Stimmlich und politisch.

Rote Zurückhaltung

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat für die EU-Wahl hat für den angepeilten Wählerdirektkontakt die Linzer Landstraße ausgewählt. Und trifft zunächst einmal auf eine Gegenveranstaltung aus den eigenen Reihen. Denn nur wenige Gehminuten vom roten EU-Stand entfernt hat die oberösterreichische SP-Jugend eine temporäre Informationsbasis errichtet. Der rote Mann für Brüssel nimmt es gelassen und zeigt sich bereit für das Bad in der Menge. Wobei zunächst die Massen ausbleiben. Kaum wer wagt es, offen auf Andreas Schieder zuzugehen – und umgekehrt scheint sich der SPÖ-Spitzenkandidat nicht unbedingt aufdrängen zu wollen. Selbst die Linzer Landstraße kann eben manchmal ein hartes Pflaster sein.

Doch der Parteinachwuchs im Hintergrund weiß Rat, und Musik kann bekanntlich Grenzen einreißen. Schon dröhnt Nur noch kurz die Welt retten von Tim Bendzko aus der mobilen Soundanlage – und Schieder scheint an seinen eigentlichen Auftrag erinnert. Infobroschüren wechseln den Besitzer, erste kurze Gespräche finden statt. Gefolgt von so mancher Enttäuschung. "Herr Schieder, haben Sie Ihr Saxofon mit?", will eine Dame im grünen Lodenjanker wissen. "Nein. Für einen öffentlichen Auftritt reicht mein Können nicht", entgegnet Schieder. Doch die Dame bleibt eisern: "Geh bitte, auf Youtube haben Sie so flott gespielt."

Voller Angriff

Ganz andere Töne schlägt hingegen Helga Retschitzegger an. Die 65-Jährige offenbart sich zwar als "rot bis in den Tod", aber: "Der Schieder hat doch kein Charisma. Der schaut so fad aus. Da hat es schon andere in der SPÖ gegeben." Außerhalb von Wien sei er zudem "viel zu wenig bekannt".

Was Herbert Impflinger so nicht bestätigen will: "Hören Sie, er ist der einzige Kandidat, den man wählen kann. Aber Sie müssen im Fernsehen an griffiger werden, gell, Herr Schieder." Der rote Spitzenkandidat lächelt: "Ich? Noch angriffiger? Echt?" Zum wohl gemeinten Angriff setzt im selben Moment ein älterer Herr an. "Sie san da beste Politiker. Die graue Eminenz. Mit Fachwissen und net nur Haxlbeißen." Sepp Schaubmayr ist halt "ein richtiger Fan vom Herrn Andreas". Als Dankeschön gibt es ein Autogramm.

Doch Zeit ist in den Tagen der Brüsseler Wahlschlacht ein durchaus rares Gut. Mit den ersten Regentropfen wird der Straßenstand abgebaut, um dann beim Linzer Kunstmuseum Lentos unter einem Dach und bei strömendem Regen weiterzufeieren. Unter dem Motto "Europe Rising" versammelt sich die rote Landes- und Bundes spitze. Und just als SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zum Mikro greift, spannt sich der Regen zu einem Bogen. Bei Bier, Biolimo sowie wahlweise Hummuspita, Gemüsefalafel oder einer "Zerrupften Trude" (Pulled Turkey) blicken die Genossen nass, aber voller Hoffnung in Richtung Brüssel.

Andreas Schieder greift aber auch am Abend nicht zum Saxofon, sondern überlässt Texta die Bühne: "Ob mit und ohne Niveau, aus deiner Seele und roh. Steh zu dir selbst und deiner Welt, mach es so oder so." (Markus Rohrhofer, 13.5.2019)