Sie flogen Tag und Nacht, oft im Abstand von nur zwei Minuten. Ältere Berliner erinnern sich noch heute an die Flugzeuge der Alliierten, die Westberlin vor 70 Jahren während der Blockade der Sowjets am Leben hielten. Diese begann am 24. Juni 1948 als Reaktion auf die Einführung der D-Mark in den Westzonen.

Sowjetische Militärbehörden hatten sämtliche Straßen, Schienen und Wasserstraßen nach Westberlin gesperrt, um die Bevölkerung auszuhungern. Doch Amerikaner, Briten und Franzosen ließen die 2,2 Millionen Berliner nicht im Stich, es begann eine beispiellose Versorgung aus der Luft. Erst am 12. Mai 1949 gaben die Sowjets auf.

"Die Luftbrücke zeigte den Menschen, dass sie nicht allein gelassen werden", sagte der Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Sonntag bei der großen Feier auf dem Tempelhofer Flughafen. Dem Airport kam damals eine zentrale Rolle zu. Dort landeten die "Rosinenbomber", um die Berliner zu versorgen.

Gail Halvorsen, der "Held" der Berliner Luftbrücke.
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Auch der "Star" der Luftbrücke wurde am Wochenende dort begrüßt: der mittlerweile 98-jährige US-Pilot Gail Halvorsen. Er bastelte während der Rettungsaktion kleine Fallschirme aus Taschentüchern, hängte Schokolade und Kaugummis für die Berliner Kinder dran. Als Zeichen für "sein" Flugzeug vereinbarte er mit ihnen: "Damit ihr mich erkennt, werde ich mehrmals mit den Flugzeugflügeln wackeln." Nun, zum Gedenken an den 70. Jahrestag, hat der Baseballverein Berlin Braves zu Ehren Halvorsens sein Sportgelände auf dem Tempelhofer Feld "Gail S. Halvorsen Park – Home of the Berlin Braves" benannt.

Größte Freizeitfläche

Natürlich war am Sonntag bei der offiziellen Feier besonders viel los, 50.000 Menschen wurden auf dem Tempelhofer Feld erwartet. Doch auf dem einst innerstädtischen Zentralflughafen herrscht auch ohne besondere Anlässe keine Langeweile.

In Betrieb war er von 1923 bis 2008, dann wurde Tempelhof geschlossen. Allgemein lautete die Annahme damals: Tempelhof wird nicht mehr gebraucht, weil es ja bald den neuen, großen Superflughafen BER gegeben wird. Das ist jener Airport, auf den die Berliner im Jahr 2019 immer noch warten.

2010 wurde das Tempelhofer Feld, wo früher die Maschinen landeten und starteten, zu einem Freizeitjuwel in der deutschen Hauptstadt. In dieser gibt es ohnehin sehr viel Grün, und mit dem frei zugänglichen ehemaligen Flugfeld bekamen die Berliner und Berlinerinnen noch einmal 355 Hektar Erholungsgebiet dazu. Das ist die größte innerstädtische Freifläche der Welt.

Der heute 98-jährige US-Pilot Halvorsen bastelte während der Rettungsaktion kleine Fallschirme aus Taschentüchern, hängte Schokolade und Kaugummis für die Berliner Kinder dran.
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An schönen Wochenenden tummeln sich zigtausende Menschen auf dem Tempelhofer Feld. Es gibt fast nichts, was es nicht gibt. Man radelt, skatet, strickt, musiziert, boxt, joggt, chillt, grillt, gräbt in Blumenbeeten, lässt Drachen steigen, surft auf dem Asphalt.

Nur eines sucht man auf der begehrten Freifläche vergeblich: Wohnraum. Der Senat wollte bauen, doch eine Bürgerinitiative durchkreuzte die Pläne per Volksentscheid. 2014 stimmten die Bürgerinnen und Bürger in allen Berliner Bezirken – auch jenen, die vom "Feld" weit weg liegen – gegen die Bebauung am Rande und für den Erhalt des Tempelhofer Feldes "in seiner Gesamtheit". Der damalige Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beugte sich dem Volkswillen, ein Gesetz verbietet die Bebauung.

Behutsame Randbebauung

Sein Nachfolger Michael Müller (SPD) behielt diesen Kurs zunächst bei. Doch mittlerweile ist die Wohnungsnot so groß, dass die Politik wieder ihre Blicke auf die gigantische Leerfläche inmitten der Stadt richtet. Zumindest der Rand soll für Wohnungen genutzt werden, meinen viele.

"Ich glaube, man kann beides unter einen Hut kriegen: Man lässt die große, wunderbare Fläche, aber geht mit behutsamer Randbebauung auch auf das Bedürfnis und die Notwendigkeit ein, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", erklärt SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und auch Bürgermeister Müller ist überzeugt: "Die Diskussion beginnt wieder, weil der Druck wächst."

Diese Besucherin hat offenbar gute Erinnerungen – ihre anmutige Kopfbedeckung besteht aus kleinen US-Flaggen.
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Er sagt auch: "Wenn wir wollen, dass die Leute weiter hierherkommen – und ich will es -, müssen wir bauen." Dass dies nicht ohne Konflikte ablaufen wird, ist ihm klar: "Sie werden Schmerzen auslösen, diese ganzen Baumaßnahmen."

Doch die SPD wird sowohl vom Linken als auch vom grünen Koalitionspartner gebremst. Die Grünen wollen das Ökosystem Tempelhofer Feld in seiner jetzigen Form erhalten, die Linken mahnen, der Volksentscheid von 2014 müsse respektiert werden.

Den Sozialdemokraten aber schwebt ohnehin eine neue Volksbefragung vor. Diese könnte diesmal anders ausgehen als vor fünf Jahren. Denn mittlerweile sind laut einer Umfrage des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) 59 Prozent dafür, auf dem Feld Wohnraum zu schaffen. (13.5.2019)