Andreas Gabalier beim Ball des Bauernbundes in Graz.

Foto: APA / Erwin Scheriau

Es ist beruhigend zu wissen, dass dieses Land von einer Person regiert wird, die weiß, wann sie für die gute Sache in die Schranken zu treten hat. Kurz verteidigt Gabalier – Kanzler gegen SPÖ, konnte "Österreich" zur Beruhigung seiner Leserinnen und Leser melden. Anlass dieses mannhaften Eintretens für die Freiheit der Kunst war die Rohheit einer SPÖ-Funktionärin, bei der Maifeier der Grazer SPÖ auch die Musik bestimmen zu wollen, die dort aufgeführt werden sollte. Das ging einigen, darunter eben auch dem Bundeskanzler, eindeutig zu weit, schließlich eröffnet die türkise ÖVP als Zeichen der Toleranz ihre Veranstaltungen stets mit der Internationale. Denn Toleranz sollte man nicht nur predigen, sondern auch leben.

Geistig in Tracht werfen

Dass ein Politiker die Chance nicht verstreichen lässt, sich der Popularität eines Künstlers zu bedienen, wenn man sich dafür nur geistig in Tracht zu werfen braucht, kommt öfters vor und wäre nicht weiter erwähnenswert. Interessanter ist das Schlaglicht, das die Argumentation des Kanzlers auf seine Vergeistigung wirft. "Österreich" hat sein Posting auf Facebook verdienstlich abgedruckt. Es beginnt so: Das rechte Medium Aula beschimpfte Österreichs Song-Contest-Teilnehmer Cesár Sampson wegen seiner Hautfarbe. Die SPÖ verbietet einer Band, Songs von Andreas Gabalier zu spielen, weil seine politische Haltung nicht geteilt wird.

Kein großer Denker

Dieser Vergleich macht sicher: Der Bundeskanzler ist kein großer Denker. Es ist nicht ganz dasselbe, einen Künstler wegen seiner Hautfarbe, also rassistisch, zu beschimpfen, und das, ohne auf seine Darbietung einzugehen, oder eine politische Haltung, die man nicht teilt, auf einer eigenen Veranstaltung nicht anhören zu wollen. Wenn das von Intoleranz zeugen soll, dann könnte sich der ÖVP-Obmann ja beim nächsten Parteitag von der John-Otti-Band mit dem Horst-Wessel-Lied einbegleiten lassen, und sein Partner wäre von so viel Toleranz entzückt. Denn wie schrieb Kurz so schön: Toleranz sollte man nicht nur predigen, sondern auch leben. Vor allem, wenn man so laut über seinen eigenen Opferstatus zu klagen hat.

Denn auch ich bin von Austro-Popgrößen wie Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros kritisiert worden und würde nie auf die Idee kommen, das Abspielen ihrer Lieder irgendwie zu verhindern. So viel seelische Größe hat nicht so bald ein Staatenlenker aufzuweisen, selbst wenn es zu erinnern gilt, dass auch die SPÖ von Austro-Popgrößen schon manche Kritik erfahren musste, ohne je auf die Idee gekommen zu sein, das Abspielen ihrer Lieder irgendwie zu verhindern. Irgendwie schon gar nicht.

An Gabalier ranschmeißen

Um sich an Gabalier – und natürlich an seine Fans – ranzuschmeißen, scheut Kurz nicht davor zurück, das rechte Medium Aula auf eine Stufe mit der SPÖ zu stellen. Damit bedient er sich bei Gabalier als einem Bruder im Geiste, hat der doch der SPÖ sogar Faschismus vorgeworfen. Wenn es um Toleranz geht, kennt der Kanzler nun einmal keine Hemmungen.

Und mit einem erschütternden Aufruf an die Welt kommt Kurz in seinem Posting zu Ende. Lassen wir die Kunst sowie die Künstlerinnen und Künstler frei arbeiten. Egal, wie sie aussehen, welche Musik sie spielen oder welche Meinung sie haben. Das ist eine brillante, in ihrem Anspruch auf Toleranz freilich nicht besondern originelle Idee, von der man nur hoffen kann, dass die Regierung, der Kurz vorsteht, sie auch in ihre Reform des ORF einfließen lässt: Lassen wir die Mitarbeiter des ORF frei arbeiten. Egal, wie sie aussehen, welche Fragen sie stellen oder welche Meinung sie von dieser Regierung haben. Und nicht nur die Mitarbeiter des ORF, sondern auch die in anderen Medien.

Endlich ein Journalist, der nicht, wie Armin Wolf, ständig nachfragt

Intolerant erwies sich laut "Presse" das Handelsgericht Wien, das die "Kronen Zeitung" nur deswegen verurteilte, weil das Blatt Ende Juni 2017 Fotos von Mädchen mit Kopftuch im Islamischen Zentrum Wien als Bilder aus einem Liesinger Kindergarten ausgab. Der Chefredakteur der "Krone" rechtfertigte sich: "Wir hatten großes Vertrauen in die Quelle." Wenn die Information einer Quelle so perfekt mit dem Vertrauen in die Quelle und diese nahtlos mit der Blattlinie zusammenpasst, kann die Quelle noch so trüb sein, da wurde, wie der Chefredakteur gestand, nicht nachgefragt.

Endlich ein Journalist, der nicht, wie Armin Wolf, ständig nachfragt. Darum vertraut die Regierung auch mit Recht der "Krone". Auf ihren Seiten war von dem Urteil nichts zu lesen. Es ist ja auch noch nicht rechtskräftig. (Günter Traxler, 12.5.2019)