Ruhig war es geworden, seit Ende November 2018. Es blieben zwar alle Zusatzzölle und Gegenmaßnahmen aufrecht, jedoch verhandeln die USA mit China seit dem Treffen von Präsident Donald Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping über eine Beilegung des aktuellen Handelskonflikts zwischen den beiden wirtschaftlichen Großmächten. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass beide Seiten ernsthaft bestrebt sind, die Handelsstreitigkeiten zügig durch Verhandlungen und Kompromisse beizulegen. Doch dann kam der 5. Mai.

In zwei Tweets zeigte sich Donald Trump äußerst unzufrieden über den Verhandlungsfortschritt mit China und kündigte an, dass die amerikanische Regierung die bestehenden Zusatzzölle auf Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar von zehn Prozent auf 25 Prozent erhöhen werde. Dies geschah dann auch tatsächlich am vergangenen Freitag. Darüber hinaus stellte Trump eine Ausdehnung der Zusatzzölle auf alle restlichen Importe aus China im Warenwert von 325 Milliarden Dollar in den Raum.

Die Finanzmärkte reagierten nervös auf diese Ankündigungen und so ergab sich in der letzten Handelswoche ein deutliches Minus an fast allen internationalen Börsen. Die chinesische Regierung zeigte sich irritiert, kündigte entsprechende Gegenmaßnahmen an, signalisierte aber weiterhin Gesprächsbereitschaft. Am vergangenen Donnerstag und Freitag  gingen die Verhandlungen um die Beilegung des Handelskonflikts tatsächlich in die nächste Runde, jedoch konnte wenig überraschend kein Durchbruch erzielt werden. Im Anschluss an die Gespräche gab der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer bekannt, dass der Prozess zur Einhebung von Zöllen in Höhe von 25 Prozent auf alle restlichen Importe aus China gestartet wurde. Eine endgültige Entscheidung über die tatsächliche Einführung steht jedoch noch aus. 

Welches Kalkül verfolgt Donald Trump und welches Risiko birgt es in sich?

Donald Trump hat mit der Erhöhung der Zusatzzölle den Handelskonflikt bewusst verschärft. Die amerikanische Wirtschaft wächst sehr dynamisch, im ersten Quartal 2019 um 3,2 Prozent, wohingegen die chinesische Wirtschaft seit Monaten (verhältnismäßig gesehen) schwächelt. Der amerikanische Präsident wähnt sich wohl in der Position des Stärkeren und versucht durch seine aggressive Handelspolitik, von China sehr weitreichende Zugeständnisse in umstrittenen Bereichen wie etwa Marktöffnung oder Schutz des geistigen Eigentums zu erreichen. Was er hierbei jedoch vergisst, ist, dass der Handelskonflikt auch für die US-Wirtschaft negative Folgen hat. Je länger der Handelskonflikt dauert, desto stärker werden diese sichtbar werden.

Der amerikanische Präsident erwähnt gerne, wie stark die Zolleinnahmen der USA durch seine Handelspolitik gestiegen sind. Was er dabei übersieht, ist, dass nicht nur die chinesischen Unternehmen die Zölle bezahlen, sondern jedenfalls ein Teil der Zollbelastungen von amerikanischen Unternehmen oder KonsumentInnen getragen werden müssen. Laut einer aktuelle Studie von drei amerikanischen ÖkonomInnen beliefen sich die Kosten des Handelskonflikts im Jahr 2018 für die amerikanischen Unternehmen und KonsumentInnen monatlich auf 1,4 Milliarden Dollar.

Darüber hinaus verschweigt der amerikanische Präsident sehr gerne, dass die amerikanische Wirtschaft  durch die chinesischen Gegenmaßnahmen Absatzmärkte verliert. Im April ist der bilaterale Handel zwischen den USA und China im Vergleich zum April 2018 um fast 16 Prozent zurückgegangen. Hierbei sanken die chinesischen Exporte in die USA um ungefähr zehn Prozent, die amerikanischen Exporte nach China brachen jedoch sogar um über 30 Prozent ein.

Als Folge davon erhöht sich das US-amerikanische Handelsdefizit mit China. Ein Abbau dieses Defizits war jedoch eine der Begründungen von Donald Trump, warum er den Handelskonflikt mit China ursprünglich vom Zaun gebrochen hat. Ein Ausgleich der Handelsbilanz scheint mit der aktuellen US-amerikanischen Handelspolitik (und auch auf Grund von anderen Faktoren) nicht erreichbar zu sein.

Was kommt als nächstes?

Noch ist die amerikanische Wirtschaftsentwicklung sehr positiv und die Kosten des Handelskonflikts werden durch andere Faktoren, die positive Wirtschaftsimpulse auslösen, überlagert. Die guten Wirtschaftskennzahlen lassen sich jedoch auch teilweise darauf zurückführen, dass viele Unternehmen ein baldiges Ende des Handelskonflikts erwartet haben. Die Signale aus den Verhandlungsteams waren bis letzte Woche ja auch durchaus positiv und man konnte von einer baldigen Einigung ausgehen. Nun ist jedoch die Unsicherheit zurückgekehrt und eine weitere Eskalation von Zollmaßnahmen und Gegenmaßnahmen kann nicht ausgeschlossen werden.

Zieht sich der Handelskonflikt noch lange hin, wird dies immer stärkere negative ökonomische Folgen für China, die USA, aber auch für die EU und die gesamte Weltwirtschaft haben. Auch könnte die EU bald zum Ziel einer weiteren Verschärfung des internationalen Handelskonflikts werden. Die ursprüngliche Frist für eine Entscheidung über zusätzliche Zölle für Autos aus der EU läuft am 18. Mai ab. Aus den USA gibt es zwar Signale, dass der Präsident seine Entscheidung um bis zu einem halben Jahr verschieben könnte. Jedoch lässt sich nicht seriös vorhersagen, wann ein nächster Tweet die Situation wieder gänzlich auf den Kopf stellen wird. Eines scheint jedoch immer sicherer zu werden: Der Handelskonflikt und die Auseinandersetzung um die weltweite ökonomische Vormachtstellung werden uns wohl noch einige Zeit begleiten. (Harald Oberhofer, 13.5.2019)

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