Die Stimmzettel für die EU-Wahl sind gedruckt – seit 2. Mai werden die ersten Wahlkarten verschickt.

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Mit der Briefwahl hat Österreich bereits 2016 schlechte Erfahrungen gemacht – schließlich musste damals die vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Wiederholung der Bundespräsidentenwahl wegen nicht klebender Kuverts dann auch noch verschoben werden. Umso alarmierender klingt die Nachricht, dass es nun wieder Probleme mit Wahlkarten gab. Zudem kämpft die Stadt Wien nun mit Angriffen durch unbekannte Hacker. DER STANDARD hat die Fakten zusammengetragen.

602 verschwundene Anträge Fest steht, dass 602 Anträge für Wahlkarten zwischenzeitlich nicht weitergeleitet wurden. Es handelt sich um Dokumente, die Wiener über die neue Amtsapp des Bundes angefordert hatten. Die Bürger bekamen eine Bestätigung, dass die Wahlkarte bald zugestellt würde – die dafür zuständigen Behörden wurden aber nicht informiert. Der Fehler wurde schließlich im Bundesrechenzentrum identifiziert. Es soll sich um ein Serverproblem gehandelt haben. Es wurde behoben, die Anträge sind inzwischen durchgegangen.

Wer hat den Fehler aufgedeckt? Die Stadt Wien wurde über einen Bürger aufmerksam. Er hatte beanstandet, dass seine Wahlkarte noch nicht angekommen ist – die Stadt wusste aber gar nichts von seinem Antrag. Am 3. Mai wandten sich Wiener Magistratsbeamte deshalb an die zuständige Stelle des Bundes. Es wurde festgestellt, dass von den bis damals 2.668 über die Bundes-App eingebrachten Wahlkartenanträgen von Wienern nur 2.066 auch an die ausführenden Referate übermittelt worden waren. Das belegt ein amtlicher E-Mail-Verkehr, der dem STANDARD vorliegt. Das Digitalisierungsministerium sagt, der Fehler sei bereits am 29. April im Bundesrechenzentrum aufgefallen und repariert worden.

Andere betroffene Gemeinden: Nachdem die Wahlkartenpanne publik geworden war, meldeten sich beim STANDARD und anderen Medien auch Bürger aus anderen Gemeinden, die eine Wahlkarte beantragt und nicht bekommen hatten. Wie es aussieht, handelt es sich in diesen Fällen jedoch um technisch andere Probleme als in Wien. Sprich: Hier war wohl nicht die App verantwortlich. Diese Fehler seien nur kurzfristig aufgetreten und ebenfalls behoben, heißt es aus dem Digitalisierungsressort.

Mehr als 6.000 Anträge per App: Insgesamt wurden allein online bereits mehr als 10.000 Wahlkartenanträge für die EU-Wahl gestellt – davon rund zwei Drittel über die App "Digitales Amt". Möglich ist die Beantragung seit 19. März. Verschickt werden die Wahlkarten seit 2. Mai.

Qualitätssicherung: Laut Ministerium wurden seit Bekanntwerden des Serverproblems mehrere Maßnahmen zur Verbesserung getroffen: Die Log-in-Daten der App-Anträge seien nochmals ausgewertet und die Übermittlung "nachweislich bestätigt" worden. Außerdem gebe es nun zusätzlich zu den Testsequenzen auch manuelle Tests.

Wahlwiederholung: Viele fragen sich: Droht nun womöglich schon wieder eine Wahlwiederholung? Karl Weber, Verfassungsjurist von der Universität Innsbruck, erklärt: "Eine Wahl muss dann wiederholt werden, wenn ein rechtswidriger Fehler auftritt, der Einfluss auf das Wahlergebnis haben kann." Beim Ausmaß der bekannten Fehler ist das wohl nicht der Fall.

Wo Weber jedenfalls Entwarnung gibt: Was die Wahlordnung betrifft, sei ein EU-weiter Urnengang mit einer Nationalratswahl vergleichbar. Müsste in Österreich – warum auch immer – tatsächlich einmal eine EU-Wahl wiederholt werden, muss deshalb nicht ganz Europa noch einmal die Stimmen einholen. Eine Wiederholung sei auch bei EU-Wahlen nur in einzelnen Sprengeln oder Wahlkreisen möglich.

DDoS-Attacke

Zusätzlich zu der Panne mit den Wahlkarten wurde am Donnerstag bekannt, dass eine DDoS-Attacke das Netzwerk der Stadt Wien erschüttert. Am Dienstag war es für eineinhalb Stunden zu einem Ausfall des Systems gekommen. In dieser Zeit mussten Wahlkartenanträge analog aufgenommen werden. Zudem war die Startseite der Stadt Wien zwischenzeitlich nicht erreichbar.

Die Magistratsdirektion spricht jedoch nicht von einem Hackerangriff, wie zunächst in Medien berichtet wurde, sondern von einer sogenannten DDoS-Attacke. Dabei wurden durch eine automatisierte Attacke die Systeme lahmgelegt. Anders als bei einem Hackerangriff seien somit auch keine Daten gestohlen worden. Jede größere Organisation sei mit derartigen Angriffen konfrontiert. Daher habe man auch entsprechende Vorkehrungen getroffen, hieß es. Diesmal sei nur besonders gewesen, dass die Schlagzahl derart hoch gewesen sei, dass das System zusammenbrach.

Gegenüber der "Presse" bestätigt das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) seine Ermittlungen. Der Angriff wurde erkannt, weil die Server mit enormen Instabilitäten zu kämpfen hatten. (Katharina Mittelstaedt, Muzayen Al-Youssef, 9.5.2019)