In Sachen Kulturförderung galt Oberösterreich lange als Musterschüler. Schon 2009 verabschiedete die Landesregierung unter Josef Pühringer (ÖVP) ein sogenanntes Kulturleitbild. Dort wurden – zusammen mit Kunst- und Kulturschaffenden im Land – Schwerpunkte der Kulturpolitik für die kommenden 15 Jahre festgelegt. Enthalten ist auch das Bekenntnis zu aktiver Förderpolitik.

Anders verstand Pühringers Nachfolger Thomas Stelzer (ÖVP) die Sache: Er kürzte die Subventionen für Kultur im Jahr 2018 um bis zu 30 Prozent. Jetzt will Stelzer ein neues Kulturleitbild in die Wege leiten, weil: "Oberösterreich 2019 ist anders als Oberösterreich 2009." Dafür lädt der Landeshauptmann heute zur Auftaktveranstaltung "Kultur neu denken". Wie die Kultur in Oberösterreich neu gedacht werden soll, darüber ist wenig bekannt.

Angst vor FPÖ-Handschrift

Die Kunst- und Kulturszene ist deshalb nervös: Die Reform der Landesverfassung, die Anfang April im Landtag beschlossen wurde, liegt ihr noch in den Knochen. Die FPÖ zeigte sich stolz darauf, den Begriff "Heimat" in den Verfassungsrang erhoben zu haben. "So wie das dort zu lesen ist, werden Ausschlüsse und Stillstand produziert", sagt Verena Humer, stellvertretende Geschäftsführerin der Kulturplattform Oberösterreich (Kupf). Die FPÖ-Interpretation von Heimat steht ihrer Meinung nach einem offenen Kunst- und Kulturbegriff diametral entgegen.

Die Befürchtungen rühren von Erfahrungen andernorts: In Salzburg stellte sich die FPÖ gegen die im Kulturentwicklungsplan verankerte Förderung von Projekten, die den interkulturellen Dialog fördern. In Linz waren es die Punkte "Interkulturalität" und der Schwerpunkt auf die freie Kunst- und Kulturszene, denen die FPÖ ihre Zustimmung verweigerte. Das oberösterreichische Landeskulturleitbild wurde einst einstimmig abgesegnet – auch mit Stimmen der FPÖ. Die Landespartei kündigt an, sich aktiv am Prozess zur Erarbeitung des neuen Landeskulturleitbilds beteiligen zu wollen.

Opposition sieht Kritikpunkte

Die Opposition sieht neben der drohenden Einflussnahme der FPÖ weitere Kritikpunkte: Es fehlt eine umfassende Evaluierung der letzten zehn Jahre. Deshalb fordert der Kultursprecher der Grünen im oberösterreichischen Landtag, Severin Mayr, vor Prozessbeginn eine Analyse, wie das Kulturleitbild umgesetzt wurde.

Da die vorhandenen Berichte des Landeshauptmanns nicht einmal die Kürzungen im Budget von 2018 erwähnen, hält Mayr eine externe Kontroll- und Steuerungsgruppe für notwendig. Sie könnte Unabhängigkeit und Transparenz garantieren. "Es soll kein schwarz-blaues Kulturleitbild werden", sagt Mayr. Die Erfahrung zeige, dass je offener ein solcher Prozess gestaltet sei, desto höher auch die Akzeptanz sei.

Landeshauptmann Stelzer sieht seine Aufgaben nur im organisatorischen Bereich und erwartet einen offenen Prozess, an dem sich alle beteiligen können. "Es gibt von meiner Seite keine inhaltlichen Vorgaben", so Stelzer. Vorab gab er bekannt, den Landeskulturbeirat – das gesetzliche Beratungsgremium für den Landeskulturreferenten – miteinbeziehen zu wollen. Dort wird Anfang 2020 das Ergebnis der Diskussion, die heute beginnt, behandelt.

Im kommenden Monat steht die Neubesetzung des Beirats an. Wer von der schwarz-blauen Landesregierung in dieses Gremium berufen wird und wie viel Mitspracherecht es tatsächlich erhält, dürfte für die Kulturförderpolitik der kommenden zehn Jahre entscheidend sein. (Laurin Lorenz, 8.5.2019)