Wien – Zumindest etwas Positives kann Christian Noe, Vorsitzender des Schöffensenats im Prozess gegen Minas K., dem Verfahren abgewinnen: Es hat ihm eine Bestleistung beschert. "In der Anklageschrift ist die Auflistung Ihrer Delikte 24 DIN-A4-Seiten lang, das ist mein persönlicher Rekord", merkt Noe in seiner Urteilsbegründung gegenüber dem 28-jährigen Angeklagten an.

Über 130 Delikte werden dem Vorbestraften vorgeworfen: Seit 2011 soll der in Ägypten geborene Österreicher Dokumente ver- oder gefälscht haben. Quasi alles, was ihm einen finanziellen Vorteil brachte. Der Bescheid über sein abgeschlossenes Jus-Studium: gefälscht. Ärztliche Atteste über Schwerhörigkeit und Diabeteserkrankung, um eine höhere Studienbeihilfe und andere Vorteile zu lukrieren: selbstgemacht. Dienstzeugnisse früherer Arbeitgeber: eine Eigenproduktion. Bei Krankenkasse und Versicherungen eingereichte Rechnungen über einen Spitalsaufenthalt in Ägypten: komplett fabriziert.

Geld von Asylwerbern verlangt

K. verschaffte sich aber auch noch eine andere Einnahmequelle: Seine Tätigkeit als Rechtsberater bei einem Verein, der im Auftrag des Bundes Asylwerber betreut, nutzte er dazu, von mehreren Klienten zwischen 500 und 1.500 Euro zu verlangen. Im Gegenzug versprach er fälschlich, für einen positiven Abschluss ihres Asylverfahrens sorgen zu können.

Einer dieser Klienten nahm das Angebot allerdings heimlich mit dem Mobiltelefon auf und ging damit zu den Behörden, was die Ermittlungen ins Rollen brachte, die dazu führten, dass K. Ende Dezember in Untersuchungshaft genommen wurde.

Vor dem Gericht bekennt sich der von Nikolaus Rast verteidigte K. umfassend geständig. Zu seinem Motiv will er wenig sagen. "Es war eine Art Teufelskreis, um die vorigen Verfehlungen zu überdecken", argumentiert er. "Ich möchte mich bei den Opfern und auch bei der Staatsanwaltschaft wirklich entschuldigen für die Arbeit, die ich Ihnen gemacht habe", wendet er sich auch an den Ankläger.

Angeklagter spricht von "Teufelskreis"

Vorsitzendem Noe verspricht er: "Es war das letzte Mal. Ich weiß, Sie hören das jeden Tag, aber in der Justizanstalt habe ich wirklich darüber nachgedacht." Den Angesprochenen interessiert anderes: "Wie kann es sein, dass Sie gleich nach Ihrer Vorstrafe 2013 wieder weitermachen?" – "Wie schon gesagt, es war ein Teufelskreis, aus dem man schwer herauskommt."

Für seine Zukunft ist K. aber zuversichtlich: Er sei derzeit als Berater bei einem Start-up geringfügig angestellt, das Unternehmen habe ihm versprochen, er könne nach seiner Haftentlassung eine Vollzeitstelle bekommen. "Mit oder ohne akademischen Titel?", fragt Noe sicherheitshalber nach. "Sie nehmen mich als Person auf, nicht wegen des Titels."

Hochzeit drei Monate vor Untersuchungshaft

Der Angeklagte hält auch fest, dass er beispielsweise der Studienbeihilfestelle schon ratenweise zu Unrecht bezogene Beträge erstattet habe, bevor das Strafverfahren begonnen habe. Und: Seit 2017 habe er nichts Illegales mehr unternommen, die Heirat im vergangenen September sei ein weiterer Ansporn für ein gesetzeskonformes Leben.

Der Senat verurteilt K. anklagekonform unter anderem wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs und Bestechlichkeit zu 30 Monaten Gefängnis, vier davon, die er bereits in Untersuchungshaft verbüßt hat, sind unbedingt. K. und Rast nehmen die Entscheidung an, der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab, sie ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 7.5.2019)