Im März hat Digitalisierungministerin Margarete Schramböck die neue Amtsapp gemeinsam mit Kanzler Sebastian Kurz präsentiert.

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Aufgefallen ist der Fehler einem aufmerksamen Bürger: Am 8. April beantragt er seine Wahlkarte für die EU-Wahl – über die neue Amtsapp, die von der Regierung im März präsentiert worden war. Vom "digitalen Amt", wie Türkis-Blau das Smartphone-Programm getauft hat, bekommt er eine Bestätigung: Hat geklappt, Wahlkarte wird verschickt. Er wartet.

Anfang Mai wendet sich der Wiener an seine zuständige Behörde, denn eine Wahlkarte hat er noch immer nicht bekommen. Dort fällt auf: In Wien ist der Wahlkartenantrag weder im zuständigen Wahlreferat noch im dafür eingerichteten Postfach jemals eingelangt. Auch die Frau des Betroffenen hatte per App eine Wahlkarte bestellt und nicht erhalten – ihr Antrag ist ebenfalls nie angekommen.

602 vermisste Anträge

Die Stadt Wien geht dem Fall nach und wendet sich an die Zuständigen im Bund, von dem die App betrieben wird. Ergebnis der Recherche: Zwischen 19. März und 2. Mai wurden "von insgesamt 2.668 über die Bundes-App eingebrachten Wahlkartenanträgen" von Wienern nur 2.066 auch an die ausführenden Referate übermittelt. Das ist einer E-Mail der zuständigen Magistratsabteilungsleiterin an Michael Esterl, den Kabinettschef von Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), zu entnehmen. Das Schreiben liegt dem STANDARD vor.

Mit Stand 2. Mai wurden also mindestens 602 Wahlkartenanträge, die via App gestellt wurden, vermisst. Das Problem konnte dann im "Bundesrechnungszentrum lokalisiert" werden. "Es ist nicht auszuschließen, dass zwischenzeitlich noch weitere Wahlkartenanträge fehlen", heißt es in dem Schreiben der Beamtin.

"Qualitätssicherungsmaßnahmen"

Ministerin Schramböck wird von der Stadt Wien aufgefordert, eine rechtzeitige Zustellung – auch ins Ausland – sicherzustellen und das ursächliche Problem in der App zu beheben: "Sollte der Fehler nicht behoben werden können, wird um Außerbetriebnahme der Bundes-App für den Bereich der Wahlkartenbeantragung bei der Stadt Wien und umgehende Verständigung der BürgerInnen ersucht."

Im Büro der Digitalisierungsministerin wird im Gespräch mit dem STANDARD eingeräumt, dass ein technisches Problem vorlag – es habe aber bereits behoben werden können. Aus anderen Gemeinden seien dem Ministerium keine Unregelmäßigkeiten gemeldet worden. "Die Wahlkarten können im normalen Modus zugestellt werden", sagt ein Sprecher des Ressorts. Dennoch würden "Qualitätssicherungsmaßnahmen" getroffen: Alle gestellten Anträge sollen elektronisch überprüft werden. In Wien wird bestätigt, dass bis Dienstagnachmittag dann alle bisher fehlenden Anträge übermittelt wurden.

Schon zuvor Kritik an App

Schon zuvor war die Amtsapp aufgrund von Datenunsicherheiten kritisiert worden. Die Ab- und Anmeldung eines Wohnsitzes ist online derzeit nämlich ohne Einverständnis und Wissen des Vermieters möglich. Der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker hat Ende März, um die Problematik zu demonstrieren, seinen Hauptwohnsitz in das Regierungsgebäude am Stubenring 1 in Wien verlegt, den Sitz des Digitalisierungsministeriums. Er wurde von der Burghauptmannschaft wegen "bewusster Falschmeldung" angezeigt.

Schramböck hat daraufhin angekündigt, die Funktion abzuändern, sodass die Vermieter künftig über Meldungen verständigt werden. Amtsgebäude sollen als Wohnsitz gar nicht mehr auswählbar sein. (Katharina Mittelstaedt, 7.5.2019)