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Scheidung, Schicksalsschlag oder schwere Krankheit: Wohnungslosigkeit hat viele Ursachen.

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Die Garçonnièren in der Riedenburg sind 21 Quadratmeter groß und mit dem Nötigsten ausgestattet.

Foto: vogl.perspektive.at

Melanie S. war ein Jahr lang wohnungslos. Immer wieder ist die 27-Jährige bei Freunden untergekommen. Für ein paar Wochen oder Tage hatte sie so ein Dach über dem Kopf. Bei einer Freundin hätte sie sich auch melden können. Doch dann wäre ihr auch noch die Mindestsicherung gestrichen worden, erzählt die Salzburgerin im Gespräch mit dem STANDARD. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich offiziell obdachlos zu melden.

Der Auslöser, dass sich S. die Miete in einer WG nicht mehr leisten konnte und ihre Ausbildung zur Pflegeassistentin abbrechen musste, war eine gesundheitliche Diagnose. "Die Erkrankung hat gesagt, ich kann nicht weitermachen, und ich konnte es finanziell nicht stemmen", sagt die blonde Frau. "Ich wusste nicht, wohin."

Unsichtbare Wohnungslose

So wie Melanie geht es immer mehr Frauen in Salzburg. Während die Zahl der Wohnungslosen leicht gesunken ist, hat sich der Anteil der betroffenen Frauen um fünf Prozentpunkte erhöht. 1.539 Menschen in Salzburg sind wohnungslos, 352 davon obdachlos. Der Anteil der Frauen liegt bei 35 Prozent. Ein Schicksalsschlag, eine schwere Krankheit, Scheidung oder lange Arbeitslosigkeit sind die häufigsten Gründe, dass Menschen plötzlich ohne Wohnung dastehen. Viele wohnen bei Freunden, Verwandten oder in teuren, heruntergekommenen Pensionszimmern.

Warum der Anteil der Frauen gestiegen sei und ob die Hilfsangebote passen, müsse noch analysiert werden, heißt es vom Forum Wohnungslosenhilfe, das jedes Jahr die Erhebung in Salzburg durchführt. Aktuelle österreichweite Zahlen gibt es nicht, da keine regelmäßige Untersuchung stattfindet. 2017 waren laut Statistik Austria 15.000 als wohnungslos registriert. Ein Drittel der erfassten Betroffenen sind Frauen. Doch viele Frauen leben in verdeckter Wohnungslosigkeit.

55 Übergangswohnungen

Melanie S. wandte sich zunächst an die Sozialberatung der Soziale Arbeit GmbH in der Stadt Salzburg. Die erzählten ihr von dem neuen Projekt, das Übergangswohnungen für Wohnungs- und Obdachlose bereitstellt. Das Projekt Meinzuhaus in der Hübnergasse im Stadtteil Riedenburg bietet 55 Übergangswohnungen. Die Garçonnièren sind 21 Quadratmeter groß und ausgestattet wie ein Stundentenheimzimmer. Die Bruttomiete liegt mit 335 Euro pro Monat deutlich unter dem aktuellen Marktpreis.

Georg Leitinger, Studentenwerk-Geschäftsführer, hatte vor fünf Jahren die Idee für das Projekt, nachdem ihn ein Betroffener auf die prekäre Lage in Pensionszimmern aufmerksam gemacht hat. "Mein Ziel war es zu beweisen, dass man so etwas mit privatem Engagement realisieren kann", sagt Leitinger. Dabei hat er viele Hürden überwunden: von Problemen mit der Nachbarschaft, die in eine Kampagne der Kronen Zeitung gipfelte, bis hin zu politischen Eitelkeiten zwischen Stadt und Land.

Schlussendlich haben viele Beteiligte an einem Strang gezogen. Die Barmherzigen Schwestern stellten das Grundstück zu einem günstigen Baurechtszins zur Verfügung. Die Wohnbauförderung wurde novelliert, fast die Hälfte der 2,5 Millionen Euro Gesamtkosten wurde daraus finanziert. 50.000 Euro kamen jeweils von Stadt und Land Salzburg, 270.000 spendeten Rotary und Lions Club. Hinzu kamen etliche Sachspenden von Firmen. "Die Hilfsbereitschaft ist groß", sagt Leitinger.

Einzimmerwohnung als Lotto-Sechser

Die Koordination des Hauses hat die Caritas übernommen. Zwei Sozialarbeiter sind für die laufende Betreuung zuständig. Im Oktober sind die ersten Bewohner eingezogen. Es gab 160 Anmeldungen für 55 Plätze. Maximal drei Jahre dürfen die Wohnungslosen hierbleiben. Der jüngste Bewohner ist 18 Jahre alt, der Älteste 65 Jahre. Ein ganzer Stock, zu dem andere keinen Zugang haben, ist nur mit Frauen belegt. Auch zwei Frauen mit Kindern wohnen in der Hübnergasse.

"Das war mein Lotto-Sechser, dieses Projekt", sagt Melanie S. Es sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen, dass sie diese Chance bekommen habe. "Ich habe ein Dach über dem Kopf. Das war das Wichtigste." Nun will die 27-Jährige wieder auf die Beine kommen, ihre Ausbildung fertigmachen und eine eigene Wohnung finden. Seit dem Startschuss des Projekts ist dies bereits sieben Bewohnern gelungen. Sie sind selbstständig ausgezogen und leben wieder in einer eigenen Wohnung. (Stefanie Ruep, 7.5.2019)