Klimawandel, Technik und Preisverfall machten das Geschäft mit Gasturbinen zu einer Belastung für die Energieversorger – und zu einer Baustelle für Siemens.

Nach dem Scheitern des Bahn-Joint-Ventures mit der französischen Alstom geht es bei einem weiteren Siemens-Kernbereich zur Sache. Nach der Umstrukturierung der Baustelle Kraftwerkssparte erwägt Siemens-Chef Joe Kaeser, die im Vorjahr neu gebildete Sparte Gas & Power auszugliedern und damit auf einen Gang an den Kapitalmarkt vorzubereiten. Der Siemens-Vorstandschef wolle die Pläne am Dienstag dem Aufsichtsrat unterbreiten, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Wochenende. Mit der Ausgliederung ("Carve-out") der gesamten Sparte oder von Teilen würde auch eine Fusion mit einem Konkurrenten einfacher, meldete Reuters unter Berufung auf zwei mit der Materie vertraute Personen.

Zu Gas & Power mit 18 Milliarden Euro Umsatz und gut 70.000 Mitarbeitern (davon rund 220 in Österreich) gehört unter anderem das Geschäft mit Gas- und Dampfturbinen, in dem Siemens angesichts eines schrumpfenden Weltmarkts für konventionelle Kraftwerke 6000 Stellen abbaut.

Allianz mit Ostasien

Eine bevorzugte Lösung für diesen Bereich ist laut einem der Insider allerdings noch nicht in Sicht. Verhandelt wurde demnach über ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Konkurrenten Mitsubishi Hitachi, wobei man unter anderem bei den Mehrheitsverhältnissen keinen Konsens gefunden habe: Kaeser will, dass Siemens an der Gasturbinenproduktion künftig nur noch einen Minderheitsanteil hält. Die Arbeitnehmervertreter sperrten sich aber dagegen; sie haben mit solchen Konstruktionen schlechte Erfahrungen gemacht. Das Neugeschäft mit Turbinen ist zwar defizitär, das Wartungs- und Dienstleistungsgeschäft gleiche dieses Manko aber mehr als aus.

Laut SZ-Bericht werden seit Monaten Chancen für eine enge Zusammenarbeit mit dem japanischen Konkurrenten Mitsubishi Heavy Industries ausgelotet, die bis zu einem Gemeinschaftsunternehmen gehen könnten. Alternativ könnte aber auch eine chinesische Lösung stehen: Bereits 2018 hatte Siemens eine Zusammenarbeit bei großen Gasturbinen mit der staatlichen State Power Investment Corp (SPIC) vereinbart, ehe heuer im März ein "strategisches Partnerschaftsabkommen" unterzeichnet wurde. Das könnte der Beginn eines deutsch-chinesischen Kraftwerksbauers sein.

Das würde zum bisherigen Vorgehen des Siemens-Chefs passen. Er hat bereits die Windenergie ins deutsch-spanische Unternehmen Siemens Gamesa ausgelagert und die Medizintechnik als "Siemens Healthineers" über die Börse verkauft. Einzig beim Bahn-Joint-Venture mit Alstom durchkreuzte die EU-Kommission die Pläne. Sie unterband die Fusion, weil diese über die Auftraggeber, also die staatlichen Bahngesellschaften, zulasten der Steuerzahler gehen würde. Auskenner sehen nun die Bahnsparte auf dem Weg zur Börse. Denn die Ausgliederung der Zugsparte als Konzern wurde mit der Fusion nicht gestoppt.

Gas & Power

Siemens wollte sich zu den Power-Plänen nicht äußern. Der Markt für konventionelle Energieerzeugung habe sich nicht verändert. Der Konzern habe aber bereits 2015 angefangen, die Herausforderungen anzugehen, sagte ein Sprecher.

Siemens Gas & Power besteht aus Kraftwerken, Ausrüstung für die Öl- und Gasindustrie sowie Stromübertragungsnetzen (Überland-Hochspannungsleitungen) und gehört zu den drei "Operating Companies", die intern mehr Eigenständigkeit bekommen sollen, aber nicht in separaten Gesellschaften gebündelt sind.

Was Konzernchef Kaeser Investoren und Analysten beim "Kapitalmarkttag" in der Münchner Konzernzentrale nun an kraftvollen Neuigkeiten für die Kraftwerkssparte unterbreiten wird, ist offen. Druck besteht. Im vergangenen Geschäftsjahr brach der Umsatz der Sparte um 14 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro ein und der Gewinn um drei Viertel auf 377 Millionen Euro. Die Vorgabe für die operative Umsatzrendite (Ebita-Marge) sind geschmalzen: acht bis zwölf Prozent. 2017/18 wurden vier Prozent erreicht. (ung, Reuters, 6.5.2019)