Kurdendemonstration in Wien im August 2016: Das Bild des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan ist immer mit dabei.

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Wien – Den Anfang machte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Mittags am ersten Mai – der Maiaufmarsch der SPÖ in Wien war gerade vorbei – zeigte er sich "schockiert": Laut in sozialen Medien verbreiteten Aufnahmen von der Kundgebung hätten "offensichtliche Mitglieder der Terrororganisation PKK" am roten Aufmarsch teilgenommen.

Drei Stunden später hatte sich auch Regierungschef Sebastian Kurz (ÖVP) der Kritik angeschlossen. Er forderte ein "völliges Kappen aller Verflechtungen der SPÖ mit extremistischen Organisationen wie der stalinistischen PKK", sagte der Kanzler.

Schieder dementierte

Das sei nicht nötig, antwortete tags darauf Andreas Schieder, SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl. Die SPÖ habe zu der 1978 gegründeten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die für die politische Autonomie kurdischer Gebiete in der Türkei kämpft, deren militärischer Arm dort Anschläge auf zivile und militärische Ziele ausübt und die seit 2002 auf der EU-Terrorliste steht, keine Nähe. Die verbreiteten Bilder stammten womöglich gar nicht vom heurigen Mai-Aufmarsch der SPÖ, fügte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hinzu.

Einzug auf Rathausplatz

Letzteres wird durch Aufnahmen widerlegt, auf denen eine im Demonstrationszug auf den Rathausplatz einbiegende Gruppe mit einem Transparent zu sehen ist, auf dem "Gegen das Verbot der PKK" zu lesen ist; ein Slogan, der sich gegen die Untersagung der Partei in der Türkei richten dürfte. Vom Podium richtet der Moderator derweil lautstark "freundliche Grüße von der kurdischen Gesellschaft in Österreich" aus.

Der Soziologe Kenan Güngör findet die SPÖ-Reaktion auch abseits von derlei Offensichtlichkeiten unpassend: "Diese 'Wir wissen nichts' -Haltung spart die Frage völlig aus, wer die PKK heutzutage eigentlich ist", sagt er. Immerhin handle es sich bei ihr auch um jene Gruppierung, mit der die Westmächte in Syrien die Terrormiliz "Islamischer Staat" bekämpft haben, die im stark patriarchalen Nahen Osten Frauenbataillone in den Kampf schickten und die – so Güngör – im Umgang mit den von ihnen gefangengenommenen IS-Kämpfern hohe menschenrechtliche Standards einhielten.

Tatsächlich hat sich die PKK in den 40 Jahren seit ihrer Entstehung mehrfach gewandelt, sei es unter dem Druck von Repressionen, aber auch im Zuge der zwischen 2013 und 2015 laufenden Lösungsversuche der Kurdenfrage in der Türkei, die letztlich scheiterten. Rund um ihren Mitgründer Abdullah Öcalan, der seit 1999 in der Türkei in lebenslanger Haft sitzt, wird nach wie vor ein starker Persönlichkeitskult betrieben.

Legale Vorfeldorganisationen

In Reaktion auf die zunehmende kurdische Diaspora in Westeuropa wurde eine Reihe legaler Vorfeldorganisationen gegründet, hierzulande etwa der Rat der kurdischen Gesellschaft in Österreich (Feykom). Der ursprünglich marxistisch-leninistische Führungskader wird laut dem österreichischen Verfassungsschutzbericht 2016 aber nach wie vor konspirativ geführt. Die PKK als solche tritt demnach öffentlich gar nicht in Erscheinung, sondern lediglich ihre Sympathisanten.

Das Verhältnis der SPÖ zu ihnen wird von einem Insider als "tolerant" bezeichnet, "solange Gewaltfreiheit herrscht". Auch das Prinzip "internationaler Solidarität für Befreiungsorganisationen" spiele hier eine Rolle.

FPÖ-Solidarität für Öcalan

Grüße zum kurdischen Neujahrsfest Newroz und Unterstützung für PKK-Chef Öcalan habe es aber auch jahrelang von FPÖ-Seite gegeben, sagt der Wiener Ex-Grüne und spätere SPÖ-Gemeinderat Senol Akkilic. Der ehemalige FPÖ-Stadtrat Johann Herzog habe vor rund zehn Jahren sogar mit einer FPÖ-Delegation die türkisch-kurdische Stadt Diyarbakir besucht.(Irene Brickner, 3.5.2019)