Auch der Night King würde sich wohl epische Strategiespiele zu "Game of Thrones" wünschen.

Foto: HBO

Zwei Serien haben die Popkultur in den vergangenen Jahren so stark beeinflusst wie nur wenige zuvor. Gemeint sind natürlich die Fantasy-Saga Game of Thrones und die Zombie-Apokalypse The Walking Dead. Beide zeigen, wie man Bücher oder Comics gut ins Bewegtbildformat überführt, ohne sich zwanghaft 1:1 an die Vorlage zu klammern.

Der Konflikt um Westeros bietet eigentlich eine Steilvorlage für Videospiele. Der Machtkampf zwischen den Häusern ist geradezu eine Einladung für die Umsetzung eines großartigen Strategiespiels, etwa im Stile der Total-War-Games oder Werken der Schmiede Paradox, wie etwa Europa Universalis oder das zugänglichere Stellaris.

"Game of Thrones" von Telltale erzählte die Geschichte des kleinen Hauses Forrester, das mit den Starks verbündet ist.
GameSpot

Viel Stoff für gute Spiele

Die Herausforderung liegt auf der Hand. Verbündete sammeln und Feine bezwingen, um rechtzeitig eine schlagkräftige Armee aufstellen zu können, die im "Endgame" dem Night King die Stirn bietet. Oder wie wäre es mit einem Rollenspiel, das uns mit einem frischen Charakter Geschichten erzählt, die in Büchern und Serie nur angedeutet werden? HBO traut sich ja auch Spin-off-Serien zu.

Auch The Walking Dead liefert genug Stoff, um etwa einen Titel umzusetzen, der die Qualitäten zurückbringt, die etwa Fallout mit seiner "Mainstreamifizierung" mit Teil 4 verloren hat. Auch für einen Shooter mit intensiver Story, ausgelegt auf Einzelspieler und Koop-Abenteuer, ist das Potenzial vorhanden.

Das "Game of Thrones"-Spiel der Cyanide Studios lieferte eine spannende Handlung, versagte aber auf spielerischer und technischer Ebene.
Cyanide Studio

Traurige Ausbeute

Die tatsächliche Games-Ausbeute bis jetzt ist eher dürftig. Zu Game of Thrones lässt sich bis jetzt ein Rollenspiel mit an sich guter Handlung, aber spielerisch und technisch leider durchwachsener Realisierung verbuchen. Und dann gab es das Episoden-Game von Telltale, das immerhin toll erzählt war, aber eben kaum Handlungsfreiheit gewährte.

The Walking Dead? Ebenfalls Telltale-Adventures, die man empfehlen kann. Und Survival Instinct als missglückte Kombination aus Strategiespiel und Shooter. Und sonst? Sonst müssen Fans beider Serien mit diversen Browsergames und Handyspielen vorliebnehmen, die meist dem Schema F folgen und sehr stark auf Mikrotransaktionen ausgerichtet sind. Die letzte größere Produktion, Overkill's The Walking Dead, erschien Ende 2018 für den PC und fiel beim Publikum durch. In weiterer Folge wurde der geplante Konsolenrelease abgesagt.

"The Walking Dead" von Starbound war der letzte Anlauf zu einem großen Game zur Serie. Auch er scheiterte.
Gamer's Little Playground

Verschenktes Potenzial

Viele andere Serien, die sich ebenfalls gute Spiele verdienen würden, sind hier noch gar nicht erwähnt. Wo bleibt die Politiksimulation zu House of Cards? Das Taktikspiel zu Sons of Anarchy? Die offiziellen Adventures zu Westworld oder Homeland? Telltale wird sie eher nicht mehr machen, denn das Studio ist seit geraumer Zeit pleite. Es ist, als hätte der Night King bereits die "ewige Nacht" gebracht.

Dass das Interesse der Spielestudios, die sonst gefühlt zu jedem zweiten Kinofilm Games liefern, bei Top-Serien so überschaubar ist, ist traurig. Denn dies Spieleindustrie wächst kräftig, und auch Videostreaming-Services boomen – vor allem getrieben von besagten Serien. Gleich zwei Branchen verpassen hier Chancen am laufenden Band.

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Die Spieler müssen's selbst richten

Zum Glück gibt es Fans, die für Lichtblicke inmitten der Misere sorgen. Eifrige Modder haben die Game of Thrones-Welt bereits in das Grand-Strategy-Game Crusader Kings 2 übersiedelt. Wer will, kann dort auch als Clanlord der berittenen Dothraki-Horden um Macht und Einfluss buhlen. Wer etwas weniger komplexe Kost vorzieht, kann sich auch mit einer Mod für Civilization 6 behelfen. Echtzeitstrategen werden hingegen im Erweiterungsfundus für Total War fündig. Und sogar in Age of Empires 2 HD kann man dank fleißiger Spieler für die Häuser von Westeros zu Felde ziehen.

Den Machern dieser Mods gebührt der Dank der Spielerschaft, die sich nun in ihrem Lieblingsuniversum austoben darf. Über den Fanprojekten baumelt aber auch stets ein Damoklesschwert. Denn die Rechteinhaber müssen natürlich ein Auge zudrücken, wenn in solchen Spielzusätzen Namen und Bilder aus der Serie verwendet werden. Nicht nur angesichts der erbärmlich kleinen Auswahl guter offizieller Games tun sie gut daran, ihre Anwälte nicht auf treue Fans loszulassen. (Georg Pichler, 4.5.2019)