Freundlich sein, cool, zivilisiert: es gäbe für die FPÖ keinen besseren Weg, um zu überraschen

Foto: Apa/Draxler

Mein herzlicher Glückwunsch gilt heute der FPÖ! Im Zeichen der herannahenden Europawahlen haben es die Freiheitlichen jetzt schon geschafft, tolle neue Tiefststände im politischen How-low-can-you-go-Wettrennen zu erreichen. Und natürlich gleichzeitig die damit verbundene Medienaufmerksamkeit.

Angesichts des bravourös orchestrierten Dauer-Tamtams aus dem hintersten Polithäusl redet kein Mensch mehr über das, was wichtig wäre, aber eh alle überfordert: Erderwärmung, Artensterben, Wettrüsten und so fort. Dafür aber ein Empörungsanlass nach dem anderen. Brillant der Beidl-Sager aus dem Parlament, großartig das Rattengedicht des sich selbst als Ratte verkleidenden Braunauer Vizebürgermeisters. Ein Vertreter des Speziesismus (Wikipedia: "moralische Diskriminierung von Geschöpfen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit") ist der Mann sicher keiner.

Schön die geheuchelte Entrüstung von Harald "The Taser" Vilimsky über Armin Wolf; toll Hazee Straches Erläuterungen über den Bevölkerungsaustausch in Europa. Am allerbesten ist aber der Facebook-Eintrag, in dem die FPÖ Mariahilf dazu auffordert, von zwei Meuchelfotos der Grün-Politikerinnen Wiener und Vassilakou das bessere auszuwählen. Galanterie pur! Da möchte man gern wissen, welche Worte für das weibliche Äquivalent des Beidls bei der parteiinternen Konzeption dieses Mördergags gefallen sind. Beim geistreichen Schmäh macht der FPÖ nämlich niemand etwas vor.

Ein Problem freilich gibt es: Wie sollen die Blauen in den verbleibenden Vorwahlwochen weiter eskalieren? Den Zeiger auf der Tourette-Skala noch mehr nach oben drehen? Den Bundespräsidenten einen muslimfreundlichen Massenmörder und alle Nicht-FPÖ-Wähler grindige Dreckschweine nennen? Oder wäre man damit auf koalitionsgefährdende Art jenseits der roten Linie von Sebastian Kurz?

Vielleicht böte sich eine andere Taktik an. Ein paar Tage lang Schaum vom Mund wischen. Keine artifizielle Empörung. Wertschätzend mit seinem politischen Gegenüber sprechen. Freundlich sein, cool, zivilisiert. Verantwortung für Schweinereien übernehmen, ohne reflexartig mit an den Haaren herbeigezogenen Gegenvorwürfen zu parieren. Gäbe es einen besseren Weg für die FPÖ, zu überraschen, zu schocken und mediale Aufmerksamkeit zu generieren? Aber garantiert nicht. (Christoph Winder, 4.5.2019)