In Sven Regener steckt immer noch Leben.

Foto: Newald

Wien – Da steht er also im Lichte der Zeitlosigkeit und genießt den Zuspruch. Beide Arme in die Luft gereckt, entfährt ihm ein "Romantik!". Das gehört sich so. Den Zuspruch aus dem Saal sind er und die seinen gewohnt. Wenn er nicht gerade an einer Bestseller-Attacke laboriert, also ein Buch schreibt, ist Sven Regener ja Musiker. Ursprünglich und eigentlich.

In beiden Funktionen wird er vom Publikum und den Feuilletons zwischen Hiddensee und Spielfeld-Straß geliebt. Das ergibt mittlerweile eine Symbiose, die sich nicht zuletzt darin äußert, dass die Band Element of Crime am nächsten Tag, also heute, Freitag, gleich noch einmal ranmuss: Ein Abend im Gasometer reicht nicht, um aller Fans ansichtig zu werden – und umgekehrt. Nennen wir es eine Form musischer Promiskuität.

Balladen und Sitzen

So viel Trockensex gehört natürlich belohnt, also kredenzt die Band reichlich. Gut zwei Dutzend Lieder quer durch. Also nicht nur die neuen, sondern auch die alten Hits, wie der gut in Stimmung gebrachte Regener sagt. "Weißes Papier" in der ersten Zugabe, "Im Prinzenbad allein" irgendwann davor, sogar das selten gegebene "Robert Zimmermann" spielen sie.

Sechs Männer stehen auf der Bühne, alle schon länger in den besten Jahren. Der Bassmann Dave Young sitzt, und das konveniert durchaus mit dem Durchschnittstempo vieler Songs — ohne dass die zu sehr auf die Lider drücken würden. Denn hier geht es doch um ein wenig mehr als bloß Radio-Geplätscher auf live. Die 1985 gegründete Band gießt große Dichtkunst in kleine Lieder.

Die ganze Herzscheiße

Musikalisch nährt sie sich am Chanson, an transatlantisch im- und exportierten Musikstilen, aus deren Mischung im Laufe der Zeit der ganz eigene Element-of-Crime-Stil wurde. Mit dem singen und spielen sie über Liebe, Depressionen, die ganze "Herzscheiße", wie Funny van Dannen das einmal genannt hat.

Regener spielt vorm Trockeneisnebel Gitarre oder bläst die norddeutsch-mexikanisch Trompete, der Saal schunkelt mit und trinkt wacker Cervezas. Ein paar Vorlaute brüllen Wünsche in Richtung Bühne, die werden von der Setlist aber ohnehin erfüllt – oder halt nicht.

Möchte man unbedingt ein Haar im Getränk suchen, dann ist es vielleicht das stellenweise etwas ins Publikumsfeindliche kippende Lichtgeorgel auf der Bühne, das zumindest oben, im Juchhe, öfter einmal die Iris kränkt. Aber gut, versenkt man sich halt geschlossenen Auges in Lieder wie "Deborah Müller" oder "Immer noch Liebe in mir". Das ist so eine Art Zwischensprint mit kurz gezogener Quetsche und einem Regener, der zeigt, dass immer noch Leben in ihm steckt. Es ist ein Stück vom aktuellen Album "Schafe, Monster und Mäuse", das der Anlass für die aktuelle Tour ist. Ansonsten ist die Darbietung weniger ritualhaft, als die Wiederkehr alter Freunde oft ausfällt. Dafür ist die Band zu sehr in Spiellaune.

Duett mit der Tochter

Bei "Karin, Karin" kommt gar Regeners Tochter Alexandra auf die Bühne und singt mit Papa Duett. Das macht den natürlich stolz, das muss so sein, das ist schön.

Schön ist auch das grimmig gespielte "Immer da, wo du bist, bin ich nie" oder "Am Ende denk ich immer nur an dich". Diese Ballade, die wie ein Film abläuft. Der funktioniert im Kopfkino sogar im Verein mit 3.000 anderen Besucherinnen und Besuchern. Gebrüll, Klatschen, all das, und am Ende bekam der Vorlaute auch noch sein Lied gespielt. Dann war endlich eine Ruh'. Aber wahrscheinlich ist er heute wieder da; man könnte es verstehen. (Karl Fluch, 3.5.2019)