Oliver Welter, Christoph Krutzler und Lucy McEvil (v. li.) spielen und singen sich im Rabenhof zwei Stunden lang durch Hits und Raritäten des Liedermachers Georg Danzer.

Foto: Rabenhof/Sophie Menegaldo Newman&Co

Georg Danzer ist ein musikalisches Nationalheiligtum. Jede Neuinterpretation hat es da schwer. Wer sich an den Liedern des 2007 verstorbenen Musikers vergreift, sollte besser einen guten Grund dazu haben. Im Wiener Rabenhof probiert ein Grüppchen Mutiger es nun. Der Abend geht schon los mit einer viel schwermütigeren Version von Jö Schau. Die Bühne zitiert dazu passend das Café Hawelka: die trübe Einsamkeit einzeln besetzter Kaffeehaustischchen mit vielen leeren Bierflaschen. Daraus zieht der Abend seine Stimmung. Tristesse im blinkenden Neonlicht.

Über eine Handlung im engeren Sinn verfügt die Revue nicht. Oliver Welter, Frontmann der Band Naked Lunch, Schauspieler Christoph Krutzler und die Drag-Kunstfigur Lucy McEvil singen Danzers Lieder oder spielen sie als kleine Szenen. Die Nummern San Sie ledig und Zieh dich aus illustrieren als Sketch zum Beispiel verschiedene Arten des Anbandelns. Dass die umworbene McEvil daraufhin im Negligee Geh in Oasch anstimmt, kann man als Akt weiblichen Selbstbewusstseins werten.

Kein plumpes Coversingen

Danzers feiner, subtiler Humor klingt dabei oft etwas derber. Seine flinken Griffe auf der Gitarre weichen hie und da Schenkelklopfern. Wenige Plätze im Publikum blieben nach der Pause denn auch leer. Zu unrecht. Solche Eingriffe baucht der Abend, um kein Coversingen zu werden. Dem im Original lässig groovigen Die Freiheit verpasst die Truppe eine zackige Melodie, wie sie zu Sprechchören von Soldaten der US-Army beim Drill im Kasernenhof gehört.

TheaterRabenhof

Das eine Lied kriegt so mehr Schmiss, das andere mehr Dramatik. Welters Stimme klingt ungeschliffen verglichen mit Danzers elegantem Säuseln. Danzers berührendster Stellvertreter ist aber Krutzler als gescheiterte Existenz in schludriger Trainingsjacke. Er macht die Geschichte des erfolglosen Schauspielers, der letztlich noch zum Mörder wird, als man ihm die einzige Textzeile nimmt, zum Ereignis (Ich bin da Mörda). Krutzler gibt auch den Vorstadtcasanova mit viel Gefühl: im Traum ganz groß, in Wirklichkeit kümmerlich.

Liebe, Tod und Gesellschaftskritik

Mehr als 20 Nummern des Liedermachers Danzer über die Liebe, den Tod und die Gesellschaft (Eckige Kinder) werden so durch- oder zumindest angespielt. Alf Peherstorfer sorgt für Livemusik am Klavier, Thomas Gratzer verantwortet Buch und Regie. 2017 hat das Team schon aus André Hellers Gesamtwerk das fabelhafte Stück Holodrio gebaut. Nach zwei Stunden Jö Schau ist auch Danzer als Geschichtenerzähler bestätigt: gewitzt, gefühlvoll, kritisch. (Michael Wurmitzer, 25.4.2019)