In Schulen gibt es nicht nur pädagogische Probleme zu lösen.

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Paul Kimberger erwartet "einen politischen Knüller". Wenn, wie angekündigt, im Frühsommer des Jahres die Ergebnisse der internationalen OECD-Studie Talis (Teaching and Learning International Survey), die die Arbeitsbedingungen an Schulen analysiert, veröffentlicht werden, dann werde erneut ein großer Mangelbereich im österreichischen Bildungssystem aufgezeigt werden: "Wir haben nach wie vor kein flächendeckendes Supportsystem wie in anderen OECD-Ländern", kritisiert der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft im STANDARD-Gespräch.

Österreich nimmt – neben 46 weiteren Ländern – nach 2008 zum zweiten Mal an dieser Erhebung teil. Im vergangenen Frühjahr wurden dafür rund 280 Schulleiterinnen und -leiter sowie 6.000 Lehrerinnen und Lehrer mittels Online-Fragebögen befragt.

Wie DER STANDARD berichtete, gibt es derzeit laut Bildungsministerium österreichweit nur rund 200 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, 63 davon finanziert der Bund. Schulsozialarbeit ist Teil der Kinder- und Jugendhilfe und somit Ländersache.

Sozialarbeit immer wichtiger

Es gebe nicht nur eine Unterversorgung im Bereich Schulsozialarbeit, "die immer wichtiger wird", sagt Kimberger: "Wir haben auch zunehmend Kinder in den Klassen, die dringend mehr Unterstützung brauchen." Besonders in den städtischen Zentralräumen, aber "das geht auch schon weit in Richtung ländliche Räume hinein".

Die Problemlagen der Schülerinnen und Schüler beschreibt der ehemalige Hauptschullehrer so: "Das sind oft Kinder, die aus sozial ganz prekären Verhältnissen kommen, aber immer öfter auch solche, wo eigentlich eher die Eltern das Problem sind. Diese sogenannten Helikoptereltern machen uns immer größere Schwierigkeiten in der Schule." Deren Überwachungsansprüche und ihr Sicherheitsdenken gingen oft so weit, dass ein "normaler" Schulalltag oft gar nicht mehr möglich sei.

Extreme Randposition

Dann wäre dringend Unterstützung für die Pädagoginnen und Pädagogen nötig. Unter "Support" fallen neben Sozialarbeiterinnen auch Psychologen, Logopädinnen und administratives Personal. Mit diesem schulischen Unterstützungspersonal sei Österreich im internationalen Vergleich aber besonders schlecht ausgestattet, verweist Kimberger auf Talis 2008. Demnach nehme Österreich im Vergleich zu den anderen teilnehmenden Ländern bei der Versorgung mit pädagogisch-unterstützendem Personal "eine extreme Randposition" ein, kritisiert der Lehrervertreter: "Das Verhältnis von Lehrkräften zu pädagogisch-unterstützendem Personal beträgt 29:1 und jenes von Lehrkräften zu administrativem Personal 25:1."

Im Vergleich dazu kommt etwa in Dänemark auf zehn Lehrpersonen eine Supportstelle. Der OECD/EU-Schnitt liegt bei 16:1. Würde sich Österreich an diesem orientieren, so müssten hierzulande an die 13.500 zusätzliche Posten im Schulsupport geschaffen werden, wiederholt Kimberger eine langjährige Gewerkschaftsforderung. Die skandinavischen Verhältnisse referiert er meist nur pro forma, immerhin würde das eine Aufstockung um 23.500 Stellen bedeuten.

Kosten oder noch höhere soziale Kosten

Kimberger argumentiert so: "Ja, ein elaboriertes Unterstützungssystem kostet Geld, aber es wäre mittelfristig sicher günstiger als die Ausgaben, die dafür nötig sind. Denn dann fallen eben in 15 Jahren hohe soziale Kosten an." Eines sei auch klar: "Durch Pädagogik ist nicht jedes Problem zu lösen." Kimberger sieht andere Politikfelder gefragt: "In die Schule schlagen so viele Probleme herein, die eigentlich woanders entstehen und gelöst werden müssten. Das fängt bei Sozialpolitik an und geht hin bis zu einer Wohnpolitik, die den Familien und Kindern auch wirklich Raum zum Leben gibt." (Lisa Nimmervoll, 24.4.2019)