Eine Wählerin wird vor der Stimmabgabe in die "richtige" Richtung gelotst. Das Regimelager wünscht sich eine hohe Wahlbeteiligung.

Foto: APA/ AFP / Khaled Desouki

"Ich stimme zu" oder "Tue das Richtige" ist auf teilweise überdimensionalen, überall in der ägyptischen Hauptstadt Kairo aufgehängten Banderolen zu lesen. Die Stadt ist zugepflastert mit Spruchbändern, die dazu aufrufen, an dem am Montag zu Ende gegangenen dreitägigen Referendum über eine Verfassungsänderung teilzunehmen und "richtig" abzustimmen. Weiße Busse, geschmückt mit Ägyptens Nationalfahne und dem Logo der Ja-Kampagne, drehen bereits seit letzter Woche unermüdlich ihre Runden.

Der Name von Präsident Abdelfattah al-Sisi fällt selten, sein Konterfei ist nur auf wenigen Plakaten zu sehen. Doch allen ist klar, worum es bei diesem Votum geht: Sisi auch nach dem bisher vorgesehenen Ende seiner zweiten Amtszeit 2022 im Amt zu halten und seine Macht zu stärken.

Während das Referendum in wenig demokratischer Manier und zuletzt in rasendem Tempo durch die Instanzen gepeitscht wurde, sind die Änderungen in der Tat signifikant und weiten die bereits umfassenden Kompetenzen des Präsidenten, aber auch der Armee zusätzlich aus.

Auf Sisi zugeschnittener Artikel

Die Amtszeit des Staatschefs wird rückwirkend von vier auf sechs Jahre erweitert, wodurch sich Sisis Mandat um zwei Jahre verlängert. Die Regelung, die eine nur einmalige Wiederwahl eines Staatschefs erlaubt, wird zwar beibehalten, doch ein auf Sisi zugeschnittener Artikel ermöglicht es ihm, 2024 erneut zu kandidieren und bis 2030 im Amt zu bleiben.

Das mit der neuen Verfassung von 2014 eingeführte Einkammerparlament wird reformiert, und dem Repräsentantenhaus wird ein Oberhaus – der Senat – zur Seite gestellt. Ein Drittel der Abgeordneten wird künftig vom Präsidenten ernannt. Auch die Unabhängigkeit der Justiz wird durch die Verfassungsänderung weiter beschnitten und die Kontrolle des Staatschefs über Gerichte und Staatsanwaltschaft ausgeweitet.

Unter Expräsident Hosni Mubarak habe sich die Justiz graduell Autonomie erkämpft, sagt der Professor für Politikwissenschaften an der Cairo University und der American University in Cairo, Mustapha Kamel al-Sayyid zum STANDARD.

Gestärker Militärrat

Die Verfassungsänderung bereite dieser Autonomie jedoch ein Ende, so das Mitglied des Egyptian Civil Democratic Movement, einer aus acht Oppositionsparteien bestehenden Allianz, die gegen die Verfassungsänderung mobil macht. Derweil soll die Armee künftig "Demokratie und Verfassung bewahren" sowie die "Rechte des Volkes und individuelle Freiheiten" beschützen. Der Militärrat, das höchste Armeegremium, behalte zudem bei der Ernennung des Verteidigungsministers ein Mitspracherecht. Dies erhebe den Rat über den gewählten Präsidenten, warnt Sayyid.

Ein Sieg des Regimelagers gilt als ausgemacht, eine hohe Wahlbeteiligung aber als erwünscht, um das Referendum propagandistisch ausschlachten zu können. Wie bei vergangenen Urnengängen üblich, wurden auch während dieses Referendums vor allem in Arbeitervierteln Nahrungsmittelpakete und laut Berichten in sozialen Netzwerken sogar Bargeld verteilt. Der Zeitpunkt, derlei materielle Hilfen unter das Volk zu bringen, könnte besser nicht sein; die Preise für Grundnahrungsmittel steigen bereits, denn Anfang Mai steht der Fastenmonat Ramadan bevor, der angesichts der in dieser Jahreszeit üblichen Preisexplosionen Einkommensschwache alljährlich vor große Herausforderungen stellt. (Sofian Philip Naceur aus Kairo, 22.4.2019)