Die ORF-Führung "veranlasste die Übertönung des Textes mit einem Piep, im Eifer der Unterwerfung aber nicht über dem Sportminister, wo das Tatsachensubstrat, nach dem Juristen im Text von Maschek fahndeten, um einiges dünner erscheint als bei Straches Einstieg in die körperliche Ertüchtigung": Günter Traxler über den Maschek-Beitrag über Vizekanzler Heinz-Christian Strache, hier beim Tiroler FPÖ-Parteitag.

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Angeheizt von den Versuchen des Bundeskanzlers, mäßigend auf seinen Stellvertreter in der Regierung einzuwirken, ist es in letzter Zeit zu einer auffälligen Verfeinerung des politischen Umgangstones gekommen, die sich ausgehend vom identitär-freiheitlichen Umfeld bis in die hochkulturelle Sphäre des Riesen-Romy-Remmidemmi ausgedehnt hat.

Strache und Wedekind

Für parlamentarisches Vorglühen hat verdienstlich der FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger gesorgt, als er männliche Kollegen mit der Anrede Beidln ehrte, was ihm wegen mangelhaften Genderbewusstseins einige Kritik eintrug. Voll entzündet hat sich dann alles an der Frage: Darf man Strache einen Ex-Neonazi nennen? Strache meint dazu: Nein. Ein darob zurecht empörter Identitärer trat darauf mit einem Schild an die Öffentlichkeit, auf dem Strache als Lulu bezeichnet wurde.

Da ein Zusammenhang zwischen Strache und Frank Wedekind bisher nicht gefunden werden konnte, bei Identitären aber mehr philosophische Bildung vorauszusetzen ist als beim gewöhnlichen Freiheitlichen, ist davon auszugehen, dass mit Lulu an Straches fließende Distanzierung von rechtem Gedankengut im Sinne von Heraklits Panta rhei erinnert werden sollte. Der schöpferische Umgang freiheitlicher Mandatare mit der Möglichkeit der deutschen Muttersprache, zusammengesetzte Substantiva zu bilden, lässt im Nationalrat demnächst die Anrede Lulubeidln erwarten, aber wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen.

Dünnes Tatsachensubstrat bei "Sportminister"

Von identitärer Seite im Freien und rhetorisch auf Strache angewandt, handelte es sich dabei um einen Tropus, genauer um ein Pars pro toto – insofern korrekt, als davon auszugehen ist, dass der Begriff die Persönlichkeit des Vizekanzlers der Republik Österreich eben nicht zur Gänze umreißt. So weit muss es aber nicht kommen, wenn Strache seine Haltung zu den Identitären besser abstimmt – mit diesen.

Identitäre hätten auch weniger Probleme, Strache einen Ex-Neonazi zu nennen als zum Beispiel der ORF. Im Bemühen um guten Ton hat dessen Leitung bekanntlich mildernd eingegriffen, als das Satire-Duo Maschek das Leben Straches in der Formulierung "vom Neonazi zum Sportminister" zusammenraffte. Sie veranlasste die Übertönung des Textes mit einem Piep, im Eifer der Unterwerfung aber nicht über dem Sportminister, wo das Tatsachensubstrat, nach dem Juristen im Text von Maschek fahndeten, um einiges dünner erscheint als bei Straches Einstieg in die körperliche Ertüchtigung. Nur ihr ist es zu verdanken, dass er es bis heute unter Bundeskanzler Kurz als Piep bis zum Lulu gebracht hat. Und wenn es Identitäre noch so ärgert: So weit bringt es nun einmal nicht jeder Ex-Neonazi.

Wenn irgendwer nicht weiß, was ein feiner Umgangston ist, dann sind es die Deutschen, das musste Martina Salomon, Chefredakteurin des "Kurier" zur Kenntnis nehmen. Aber selbst schuld. Man ehrte den Satiriker Jan Böhmermann mit einer Akademie-Romy, und der hatte in seiner auf Video eingespielten Dankesrede offenbar wörtlich genommen, wozu Mirjam Weichselbraun Samstag im "Kurier" aufgerufen hatte: "Man muss sich wieder mehr trauen".

"Schlechte Satire, schlechtes Benehmen"

Was er sich traute, bezeichnete Salomon säuerlich als "schlechte Satire, schlechtes Benehmen", und überdies sei er ein Provokateur. Wer hätte das von Böhmermann gedacht? In der Ehrentafel der strahlenden Romy-Preisträger 2019, die der "Kurier" Montag veröffentliche, schien sein Name nicht auf, obwohl Salomon die Jury-Entscheidung selbstverständlich akzeptierte. Umso genüsslicher berichtete die Konkurrenz. "Österreich" fand: Eklat überschattet fade Romy-Gala, und in der "Kronen Zeitung" widmete Michael Jeannée unter Absonderung von Krokodilstränen der armen Romy, der wehrlosen Romy, der "Kurier"-Romy seine Post zur Gänze den Ergießungen Böhmermanns.

"Sehr geehrte, dumme Hurenkinder, hallo Ostmark, begründete der seine Absenz von der Gala. Er hänge ziemlich zugekokst und Redbull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza und verhandle darüber, ob ich die "Kronen Zeitung" übernehmen kann. Er habe auch zwei Romys mehr als dieser schweigende Fascho-Helfer mit den großen Ohren. Das ist zwar etwas simpel, aber als armem Deutschen stehen ihm Fachausdrücke wie Beidl und Lulu nicht zu Gebote.

Der "Kurier" berichtete übrigens von einer Hofburg im Goldrausch und einem Riesen-Romy-Remmidemmi. (Günter Traxler, 21.4.2019)