Leise zieht der Osterhase auf dem Förderband seine Kreise, wird erst von bunter Alufolie umwickelt, dann in ein Nest mit Eiern gesteckt. Roman Hauswirth stellt in Kittsee im Burgenland Saisonware aus Schokolade für mehr als 30 Länder her. Anders als die Gewerkschaft sieht er sich nicht als Industrieller. Den Diskonter Hofer, von dem er sich vor zwei Jahren getrennt hat, beschreibt er als goldenen Käfig. Über den jahrelangen Hasenstreit mit dem Schweizer Branchenriesen Lindt will der Volkswirt heute kein Wort mehr verlieren.

STANDARD: Haben Sie als Kind an den Osterhasen geglaubt?

Roman Hauswirth, Schokoproduzent in dritter Generation: "Meist telefoniert der Osterhase mit mir."
Foto: Heribert Corn

Hauswirth: Es ist so lange her. Wann sich Kindheitsillusionen in Realität auflösten, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ab sechs war der Osterhase sicher kein Thema mehr. Bis zu meinem dritten Lebensjahr wuchs ich in der Heimatgemeinde meiner Mutter auf. Und dort stand keine Produktion.

STANDARD: Ihr Großvater hat die Schokohasen in Handarbeit produziert und in Alufolie eingewickelt. Ihnen müssen bald Zweifel an seiner Existenz gekommen sein.

Hauswirth: Ich habe einen Spruch von meinem Onkel übernommen, der Kindern erklärte: Der Osterhase und der Nikolo gehen zum Franz-Onkel, also meinem Vater, einkaufen. Wenn mich also kleine Kinder fragen, erkläre ich ihnen, dass ich beide kenne. Wie der Osterhase aussieht? Zumeist telefoniert er mit mir, und wenn er schließlich kommt, ist es schon finster.

Bis Mitte Februar hat die Hasenproduktion Hochsaison. Die letzten Wochen vor Ostern läuft die Wickelmaschine für Nachbestellungen.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Sind Sie in die Schokoproduktion hineingewachsen?

Hauswirth: Ich war schon als Schüler auf internationalen Süßwarenmessen und habe auch immer ein bisserl mitgearbeitet. Als Nachfolger war aber mein Bruder vorgesehen, mir wurde die Freiheit geschenkt. Doch diese Freiheit wurde jäh beendet: Ich bekam nämlich keinen Ruf als Ordinarius, als ordentlicher Professor, auf die passende Uni, sondern einen Anruf meines Vaters: "Du stellst von heute auf morgen den gesamten Inlandsvertrieb frei. Ich weiß nicht genau, worum es geht, aber um zwei hast du einen Termin bei der Rewe." Also fuhr ich hin. Das war mein Einstieg.

STANDARD: Zwei Brüder an der Spitze – geht das auf Dauer gut?

Hauswirth: Ich mache alles, was aus der Firma rausgeht, mein Bruder alles, was reingeht. Da kommt man sich nicht über Kreuz. Und eine Beziehung ist dann gut, wenn sie so manchen Streit aushält.

STANDARD: Brauchen Osterhasen über den Lauf der Jahre eigentlich ein Facelifting? Ich erinnere an Biene Maja, die stark erschlankt ist.

Hauswirth: Die Ästhetik der Figuren hat sicher nachgelassen, allein aufgrund der technischen Vorgaben der Produktion. Schokolade war früher zudem ungleich teurer. Die Figuren waren daher viel kleiner als heute. Ein großer Schokohase entsprach dem Tageslohn gut verdienender Facharbeiter.

Produziert wird vor allem für Supermärkte. 60 Prozent der Hasen gehen in den Export.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Ist es eine Mär, dass so manch stehengebliebener Nikolaus frisch umwickelt zum Osterhasen wird?

Hauswirth: Bei uns nicht. Aber gut möglich, dass Produzenten früher ihre übriggebliebenen Figuren aufgrund der kostspieligen Rohstoffe wieder einschmolzen. Bloßes Umverpacken würde in sozialen Medien jedoch schnell die Runde machen.

STANDARD: Kinder werden weniger, Süßes ist zusehends verpönt. Verliert das Osternest an Gewicht?

Hauswirth: Fragen Sie die Marktforschung, von der ich aber wenig halte. Die Produktionslandschaft hat sich jedenfalls stark verändert. Manner macht noch Ostersachen, aber keine großen Figuren. Heindl hat größere Hasen, aber mit seiner Menge bin ich an einem Nachmittag fertig. Für uns sind Osterhase und Nikolo die Haupteinnahmequelle. Rund 60 Prozent davon gehen in den Export. Meine Mitbewerber sind vor allem in Deutschland. Österreich ist aber sicher eine der letzten Nikolausbastionen.

STANDARD: Fast alle großen Süßwarenmarken sind in Händen weniger internationaler Konzerne, viele Traditionsbetriebe sind längst Geschichte. Ein knallhartes Geschäft. Warum gibt es Sie noch?

Hauswirth: Weil sich bis vor wenigen Jahrzehnten die wirklich großen Firmen nicht für Produkte rund um Weihnachten und Ostern interessierten. Dies ist erst eine Erscheinung der vergangenen 30 Jahre. Tafelschokolade etwa war international schneller und stärker umkämpft. Es war uns daher möglich, Strukturen aufzubauen, die bis heute im Wettbewerb bestehen können.

Hauswirth beschäftigt in Spitzenzeiten bis zu 140 Mitarbeiter, überwiegend Frauen.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Österreichs Lebensmittelhandel ist hochkonzentriert. Wie viel Spielraum bleibt da Lieferanten?

Hauswirth: Wenig. Einen Händler von der Berechtigung neuer Artikel zu überzeugen ist schwierig. Was den Damen und Herren Einkäufern in Österreich – das ist weniger als eine Handvoll – nicht gefällt und nicht schmeckt, das bekommen 85 Prozent der Österreicher nicht zu kaufen. Es gibt keinen Markt, der stärker konzentriert ist als der österreichische.

STANDARD: Der Diskonter Hofer war ein großer Kunde. Hofer produziert aber auch selbst Schokolade.

Hauswirth: Hofer erzeugt Tafeln – und Schokolade im Tank für sehr viele Dritte. Ich habe mich von Hofer vor zwei Jahren aktiv getrennt. Es war ein goldener Käfig. Wir beliefern in Österreich jedoch alle anderen Handelsketten.

STANDARD: Sie kämpften gut acht Jahre lang gegen Lindt wie ein Löwe für Ihren Prachthasen. Die Schweizer sahen die Markenrechte ihres Goldhasen verletzt und setzten sich damit durch. Sie waren sich so lange so sicher, zu gewinnen ...

Hauswirth: Ich beantworte zum Prozess mit Lindt keine Fragen.

STANDARD: Droht Markenschutz generell zusehends auszuufern?

Hauswirth: Schauen Sie, wie viel international zur Markenverteidigung ausgegeben wird. Alle möglichen Firmen sind damit betraut. Ich war einmal derjenige, der aufgeschrien und der das aufgezeigt hat. Doch wie gesagt: Zu Lindt beantworte ich keine Fragen mehr.

An den Goldhasen von Lindt darf heute nach einem verlorenen Rechtsstreit nichts mehr erinnern.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Den Gerichtsstreit mit Manner haben Sie aber gewonnen. Er drehte sich um Schokobananen.

Hauswirth: Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern. Jene mit Manner war auf einem vollkommen anderen Niveau. Hier ging es um die Meinung eines Dritten, nur darum, wie knapp wir wirklich aneinander dran sind. Unsere Familien waren einander immer freundschaftlich verbunden. Mein Bruder lernte Konditor bei Manner.

STANDARD: Wo genau schlägt das Herz Ihrer Hasenfabrik?

Hauswirth: In der Schokoladenproduktion. Wie auch das Herz eines Autos im Motorenbau schlägt und nicht im Designbüro, das ja Komponenten bloß zukauft. Die meisten Firmen sind ja keine Schoko-, sondern nur Ausformfabriken, die sich Schokolade flüssig im Tank liefern lassen. Wissen Sie, wer der weltgrößte Schokoladeproduzent ist? Barry Callebaut, er verarbeitet 30 Prozent der weltweiten Kakaoernte. Oder haben Sie je von Olam gehört? Die zählen auch zu den ganz Großen. Und es gibt uns.

Auch China ordert Hauswirths Hasen – für Auslandseuropäer mit Appetit auf Ostern.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Welche Marken versorgen Sie mit Ihrer Schokolade?

Hauswirth: Diese Frage darf ich nicht beantworten.

STANDARD: Schade. Wie hoch ist letztlich der Anteil der industriellen Produktion bei Hauswirth? Wie viel Handarbeit steckt noch dahinter?

Hauswirth: Woher soll ich das genau wissen? Sagen Sie mir den Automatisierungsgrad Ihres Artikels in der Zeitung.

STANDARD: Ich frage, weil Sie Mitarbeiter in den Gewerbe-Kollektivvertrag einstufen, die Gewerkschaft aber der Ansicht ist, dass bei Hauswirth der teurere Industrie-KV zur Anwendung kommen sollte.

Hauswirth: Meinungen gehen hier auseinander. Auch der Bäcker hat eine Semmelmaschine – wo geht es los? Wir selbst erzeugen klassische Konditorware, die nicht einmal Zweimannbetriebe machen. Wir bekommen Früchte in Salzlake, wassern sie aus, kandieren sie, blanchieren sie und überziehen sie mit Schokolade. Es ist das Urhandwerk der Konditoren, anders als das Ausbacken von Sachertorten. Es gibt keine exakte Definition für Industrie. Auch bei ihr wird oft fast nur mit der Hand gearbeitet.

STANDARD: Betriebsrat haben Sie keinen. Wollen Ihre bis zu 140 Mitarbeiter, primär Frauen, keinen?

Hauswirth: Wir brauchen keinen, wir kommen auch so gut zurecht.

STANDARD: Ihr Werk steht hart an der Grenze zur Slowakei. Haben Sie je überlegt, aus Kostengründen in Osteuropa zu produzieren?

Die Schokobananen-Produktion läuft an sechs Tagen die Woche rund um die Uhr. Sortiert wird maschinell und händisch.
Foto: Heribert Corn

Hauswirth: Wir sind Unternehmer im Ort. Zuerst geht man in die Slowakei, dann in die Ukraine, dann nach Vietnam. Und wohin dann? Das bringt ja alles nichts. Rechnet sich ein Produkt hier nicht mehr, muss man damit aufhören.

STANDARD: Der Kakaoanbau steht schwer in der Kritik: Kinderarbeit, miese Löhne, massiver Pestizideinsatz. Wie gehen Sie damit um?

Hauswirth: An einem europaweiten Soziallabel führt kein Weg vorbei. Die Branche ist angehalten, dort zu kaufen, wo es keine Kinderarbeit gibt. Kakaobohnen werden jedoch von Vorlieferanten gemischt – man kann sich daher nie ganz sicher sein. Wir bieten Kunden Utz- und Flo-Zertifikate. Ich habe für unsere Marke Hauswirth keinen Vertrag mit Fairtrade, wir liefern jedoch Eigenmarken unter diesen Standards. Der Konsument ist, was Sozialanliegen anbelangt, in reichen Ländern sehr kritisch. In jenen Ländern, die mit wenig Wohlstand gesegnet sind, ist vieles davon aber kein Thema. (Verena Kainrath, 20.4.2019)