Neuer Anlauf, Christoph Dichand als "Krone"-Herausgeber abzusetzen, hier beim Qualifikationsspiel Österreich gegen Polen am 21. März – einen Tag vor der Gesellschafterversammlung mit dem Absetzungsantrag.

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Die Hälfteeigentümer der "Kronen Zeitung" lassen nicht locker: Sie fechten das Patt beim Gesellschafterbeschluss zur Abberufung Christoph Dichands als Herausgeber nun vor dem Handelsgericht an – mit kreativem Zugang. Dichands Anwältin Huberta Gheneff gibt der Klage keine Chancen – schon das Gericht sei nicht zuständig.

Der jahrzehntelange Streit der "Krone"-Gesellschafter um das Sagen und das Verdienen bei Österreichs weitaus größter Tageszeitung landet diesmal nicht bei einem Schiedsgericht nach Schweizer Recht wie üblich. Vor dem Handelsgericht Wien arbeitet eine Firma der deutschen Funke-Gruppe und des Neo-Gesellschafters und Immobilienmilliardärs René Benko nun daran, Christoph Dichand als Herausgeber der "Kronen Zeitung" abzusetzen.

"Mit sofortiger Wirkung"

Funke/Benko beantragten im März anhand von Spesenvorwürfen gegen Christoph Dichand, den Sohn des "Krone"-Gründers als Herausgeber "mit sofortiger Wirkung" abzusetzen (nach bisherigen Infos als Chefredakteur, laut Gerichtsakt geht es aber um die Funktion des grundlegend bestimmenden Herausgebers).

Am 22. März 2019 stimmten die Gesellschafter der "Kronen Zeitung" über den Antrag ab. Der Tagesordnungspunkt drei – Dichands Abberufung – endete unentschieden. Nicht ganz überraschend: Die Familie Dichand und die in einer Holding vereinten Gesellschafter Funke und Benko halten jeweils exakt 50 Prozent der Anteile.

Die Funke-Gruppe stellt nun vor dem Handelsgericht aber genau diese Verteilung infrage – der Stimmrechte, nicht der Anteile. Die Verträge sehen vor, dass die Gesellschafter pro 1.000 Schilling Einlage eine Stimme haben. Beide Seiten haben eine Stammeinlage von 250.000 Schilling (die Gesellschaften wurden 1987 eingetragen).

Aber, und da setzt die Klage vor dem Handelsgericht an: Die 250.000 Schilling Einlage des 2010 verstorbenen "Krone"-Gründers Hans Dichand wurden 2018 zu gleichen Teilen an die Witwe Helga und seine drei Kinder Michael, Johanna und Christoph aufgeteilt. Ergibt: je 12,5 Prozent Anteil an der "Krone", in Einlage-Schillingen jeweils 62.500. Die jeweils 500 aber sind keine vollen tausend, argumentiert die Funke-Gruppe vor Gericht. Damit hätten die Dichands aber mit viermal 62 Stimmen nur noch 248 Stimmen, die Funke-Holdingfirma aber weiterhin 250.

Ob man durch Vererbung gleich hoher Anteile an einer Firma zwei Stimmen verlieren kann, muss das Handelsgericht nun klären.

Dichands Stimmrecht in eigener Sache

Spannender könnte die zweite Angriffslinie der Funke-Gruppe werden: Sie ficht den Gesellschafterbeschluss zudem mit dem Argument an, Christoph Dichand (beziehungsweise seine Anteile) könnte nicht in eigener Sache mitstimmen. Ohne seine Stimmen wäre der Antrag, Dichand abzusetzen, mit Mehrheit durchgegangen.

Ein Sprecher des Handelsgerichts bestätigte am Freitag auf Anfrage des STANDARD die Klage von Funke/Benko (formal: ihrer Beteiligungsgesellschaft NKZ Austria). Die Funke-Gruppe beantwortete Anfragen zum Verfahren nicht.

DER STANDARD berichtete bereits Ende März vom Plan der Funke-Gruppe, gegen den Gesellschafterbeschluss vorzugehen. Laut GesmbH-Gesetz dürfen Gesellschafter nicht mitstimmen, wenn sie einen Vorteil für sich beschließen oder mit dem Beschluss von einer Verpflichtung befreit werden, wenn es um Geschäfte mit der Gesellschaft geht oder einen Rechtsstreit mit der Gesellschaft. Aber bei ihrer Bestellung in und Abberufung aus einigen Gesellschaftsfunktionen dürfen Gesellschafter laut Gesetz mitstimmen.

Klage auf Ausschluss der Funke-Gruppe aus der "Krone"

Die Dichand-Seite argumentierte, ihre Anteile seien vertraglich gebündelt und könnten nicht einzeln abstimmen (oder nicht).

Dichands Anwältin Huberta Gheneff hat die Spesen im März als "mehrfach geprüft und betriebsnotwendig anerkannt" bezeichnet und die Vorwürfe als "absurd" zurückgewiesen.

Gheneff kündigte im Gegenzug im STANDARD eine Klage auf Ausschluss der Funke-Gruppe (und damit auch Benkos) als "lästigem Gesellschafter" aus der "Krone" an.

Falsches Gericht

Update: Dichands Anwältin erklärte am Freitag auf STANDARD-Anfrage: "Das Handelsgericht ist nicht zuständig." Unter den "Krone"-Gesellschaftern gebe es eine weit gehende Schiedsklausel, für solche Themen sei ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht zuständig. "Das wird auch der Oberste Gerichtshof feststellen" – freilich in "nicht absehbarer Zeit".

Für eine gewichtige Entscheidung wie die Absetzung eines Herausgebers könne nicht die geschäftsführende Krone GesmbH zuständig sein, argumentiert Gheneff – sondern die operative Kommanditgesellschaft. Die Argumentation mit den Stimmrechten gehe ins Leere – laut Rahmenverträgen haben Dichands und Funke jeweils eine Stimme. Nach STANDARD-Infos sehen die Rahmenverträge vor, dass die Dichands den Herausgeber und den Chefredakteur bestimmen, und dass die Funke-Gruppe im gemeinsamen Verlag mit dem "Kurier", der Mediaprint, mit den Dichands stimmen muss. Die Funke-Gruppe hat diese Rahmenverträge allerdings gekündigt, ob rechtskräftig, berät gerade ein Schiedsgericht.

Gheneff rätselt über Widersprüche zwischen Aussagen von Funke-Mitgesellschafter René Benko und dem Agieren der Funke-Gruppe. Benko erklärte zuletzt in der "Presse", er sei gegen die Abberufung Dichands als Herausgeber und Chefredakteur. Benko hält bisher eine Minderheitsbeteiligung an jener Gesellschaft, in der die Funke-Gruppe ihre 50 Prozent an der "Krone" sowie fast 50 Prozent am "Kurier" gebündelt hat. Andererseits bekämpfe die Funke-Gruppe Dichand und seine Funktion weiterhin, nun auch vor dem Handelsgericht. Gheneff nimmt das als "Beweis, dass es hier nicht um die Sache geht, sondern darum, möglichst Schwierigkeiten zu machen und womöglich eine bessere Verhandlungsposition zu erzielen." Eine unrealistische Hoffnung, sagt Gheneff.

"Lähmender Rechtsstreit"

Christoph Dichand reagierte auf den neuen "aufwändigen und lähmenden" Rechtsstreit mit einem neuerlichen Verweis auf die Unabhängigkeit der Redaktion. Er spricht von einem "unnötigen Schritt der Funke-Gruppe", die Eigeninteressen vor Gesamtinteressen stelle.

Betriebs- und Redakteursbeirat ließen per Aussendung verlauten, sie würden "geeint hinter unserem Herausgeber stehen". Die Dichands seien als Gesellschafter "seit jeher Garant für die Unabhängigkeit der 'Krone'". Belegschafts- und Redaktionsvertreter würden "die Angriffe auf die im Redaktionsstatut festgeschriebene Unabhängigkeit als Schaden zu Lasten des Unternehmens" sehen.

Schiedsgericht berät Vorrechte der Dichands

Derzeit tagt ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht darüber, ob die Funke-Gruppe die Vorrechte der Familie Dichand in der "Krone" kündigen kann, ohne damit gleich die Gesellschaft aufzulösen. Die Vorrechte sind in Rahmenverträgen mit der Funke-Gruppe aus 1987 festgehalten. Die Funke-Gruppe (oder andere Eigentümer ihrer Anteile) müssen für einen garantierten Jahresgewinn der Dichands – kolportiert: ein hoher einstelliger Millionenbetrag – sorgen, unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihn abwirft.

Die Funke-Gruppe hat die Verträge gekündigt. Bekommt sie vom Schiedsgericht recht (das üblicherweise Monate bis eher Jahre berät), dürfte Benko die Anteile der Funke-Gruppe an der "Krone" komplett übernehmen.

Die Dichands, "Krone" und "Heute" (Herausgeberin: Dichands Frau Eva Dichand) attackierten Benko in den vergangenen Wochen publizistisch massiv.

Mediaprint steigert Ergebnis

Update: Der Garantiegewinn für die Dichands dürfte sich heuer ausgehen, ohne dass ihre Mitgesellschafter einzahlen müssen: Der gerade beim Firmenbuch deponierte jüngste Abschluss des "Krone"-"Kurier"-Verlags über das Geschäftsjahr 2017/18 (bis Ende Juni 2018) weist ein Ergebnis vor Steuern von 24,2 Millionen Euro aus nach 21,5 Millionen im Jahr zuvor. Der Umsatz blieb mit 426,1 Millionen nach 428,5 Millionen stabil.

Die Gewinne der Mediaprint werden im Verhältnis 70:30 zwischen "Krone" und "Kurier" aufgeteilt. Das müsste rund 17 Millionen Euro für die "Krone" ergeben. (Harald Fidler, 19.4.2019)