Fernsehkameras, Mikrofone, Aufnahmegeräte und zahlreiche Journalisten: Für gewöhnlich ist der Medienandrang nicht so groß, wenn Reporter ohne Grenzen (ROG) die Jahresliste der Pressefreiheit veröffentlicht. "Ich komme mir wirklich prominent vor", sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Der Anlass für so viel Medienaufmerksamkeit: Österreich rutscht binnen eines Jahres von Platz elf auf Platz 16 ab. Der Indexwert für Österreich ist nur mehr "ausreichend".

"Österreich liegt zum ersten Mal im gelben Bereich", sagt Möhring. "Unsere weiße Weste hat braune Flecken bekommen."

Foto: Reporter ohne Grenzen

Möhring spricht von "Einschränkungen, Vorwürfen und Diffamierungen", denen Journalisten hierzulande ausgesetzt seien. Dazu beigetragen haben unter anderem Angriffe der FPÖ auf die ORF-Journalisten Armin Wolf, Ernst Gelegs und Wolfgang Wagner sowie die öffentliche Diffamierung der STANDARD-Journalistin Colette M. Schmidt durch einen Online-Aufruf der FPÖ-Jugendorganisation RFJ.

"Manche Regierende verlieren sich in der Macht", kritisiert die ROG-Präsidentin. "Medien sind in einer Demokratie ein Korrektiv. Dieses Korrektiv ist offenbar nicht mehr gewünscht, und findet es doch statt, werden Journalisten angeschnauzt." Im Ausland beobachte man die Entwicklung mit zunehmender Sorge: "Ungarische Kollegen sehen eine Parallele zu Ungarn nach der ersten Wahl von Viktor Orbán", sagt Möhring. "Es sieht nicht gut aus in diesem Land, wir müssen sehr aufpassen."

ROG-Präsidentin befürchtet "schlimme Folgen"

Möhring bezieht sich auch auf das Interview von Medienminister Gernot Blümel zuletzt in der "ZiB 2". "Wenn Politiker in hohen Positionen in einer Sprache sprechen, die eher zu einem Stammtisch passt, kann das schlimme Folgen haben."

Die Reaktion des Medienministers wurde im aktuellen Ranking nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die jüngste Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz an Ö3. Nicht zuletzt deshalb rechnet Möhring das nächste Jahr mit keiner Entspannung: "Ich habe große Sorge, dass es nicht besser wird."

Die Pläne der Regierung zu einem neuen ORF-Gesetz, das eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Budget vorsehen könnte, hält auch Medienwissenschafter Fritz Hausjell für bedrohlich. Bei ihm schrillen hinsichtlich des Absturzes im ROG-Ranking "die Alarmglocken": "Das Ranking gibt es seit 2002. Damals sind wir in Österreich ziemlich schlecht gestartet und waren während der Regierungszeit von Schwarz-Blau eins und zwei konstant auf Rang 16 und 17. Wir sind jetzt innerhalb eines Regierungsjahrs von Türkis-Blau wieder dort gelandet", sagt Hausjell. Er kritisiert zudem die "exzessive Öffentlichkeitsarbeit" der Regierung, der er "eine gewisse Schamlosigkeit" vorwirft.

Froh über den Spiegel

Das Positive daran: "Wir müssen froh sein, dass uns durch diese international vergleichende Erhebung der Spiegel sehr deutlich vors Gesicht gehalten wird." Der Medienwissenschafter plädiert dafür, "eine weitere schrittweise Verringerung der Pressefreiheit nicht zuzulassen und entsprechenden Widerstand zu leisten." Hausjell: "Für Journalisten macht es mittlerweile Sinn, die Dinge nicht länger hinzunehmen, sondern zu überlegen, wie man zusammen mit dem Publikum die Medienfreiheit sichern kann."

Die ersten Plätze belegen Norwegen, Finnland und Schweden. Damit sind weiterhin sieben von zehn Ländern in den Top Ten europäisch. Auf Rang 7 liegt Neuseeland, auf Rang 8 Jamaika und auf Rang 10 Costa Rica. Am weitesten aufgeholt haben Äthiopien (+40 Plätze), Gambia (+30 Plätze) und Tunesien (+25 Plätze).

Die größten Verlierer sind die Zentralafrikanische Republik (–33 Plätze), Tansania (–25 Plätze) und Nicaragua (–24 Plätze). Auch Ungarn (–14 Plätze), Serbien (–14 Plätze) und Malta (–12 Plätze) sind dramatisch abgestürzt. Auf den letzten drei Rängen liegen Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. (prie, 18.4.2019)

Die Weltrangliste im Detail: