"Bravo"-Poster aus vergangenen Zeiten an der Wand, Bescheid sagen, wenn es abends später wird, und Körperpflege danach planen, wenn Mutter oder Vater das Badezimmer nicht benutzen. Dafür gibt es warme Mahlzeiten und gewaschene Wäsche: Wenn erwachsene Kinder bei ihren Eltern wohnen, hat das Vor- und Nachteile und unterschiedliche Gründe.

Statistiken belegen seit Jahren den anhaltenden Trend zum späten Auszug aus dem Elternhaus: Laut Eurostat-Daten sind erwachsene Kinder in Österreich um die 25 Jahre alt, wenn sie aus dem Elternhaus ausziehen. Söhne sind im Schnitt 26 Jahre, Töchter 24,4 Jahre alt. Damit liegt Österreich etwas unter dem EU-Durchschnitt. Auch das Wiedereinziehen bei den Eltern ist eine beliebte Option, wenn im Leben nicht alles rundläuft. Wir haben mit drei Personen gesprochen, die über ihre Erfahrungen bei den Eltern berichten.

Wenn mehrere Generationen unter einem Dach wohnen, läuft nicht immer alles rund.
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Erfahrung von Nicole (27):

"Mit 18 zog es mich frisch nach der Matura in die Stadt zum Studieren. Pendeln wäre zwar theoretisch drin gewesen, beziehungsweise ein Einziehen bei den Großeltern, ich bekam zum Glück aber von den Eltern die Miete für eine kleine Studentenbude finanziert. Ein paar Jahre später – mit dem Bachelor in der Hand und einem nicht ganz zufriedenstellenden Job – wollte ich mich mit 24 an den Master machen. Das Problem: Das Studium war in einer anderen Stadt, der bisherige Arbeitgeber bezüglich der Reduktion der Stundenzahl wegen des Studiums unkooperativ. Dann hat es sich ergeben, dass ich einen Job in meinem Heimatort annahm und zu den Vorlesungen pendelte.

Wieder daheim zu wohnen war etwas eigenartig, obwohl es ein absehbares Ende hatte. Ich habe darauf bestanden, nicht mehr ins Kinderzimmer zu ziehen, sondern in das ehemalige Gästezimmer, weil ich dort zumindest ein eigenes Bad hatte. Die gewohnte Privatsphäre war weg, ein paar der Streitereien aus den Teenagerjahren wieder da, etwa das klassische Thema Zimmeraufräumen. Daher habe ich irgendwann begonnen, das Zimmer und das Bad abzusperren und den Schlüssel mitzunehmen. Für die eigenen Eltern ist man doch immer noch Kind, vor allem, wenn man wieder mitisst, weil zweimal zu kochen für drei Personen dann auch wieder dumm ist.

Das Lustige daran: Als ich das Studium beendet hatte und wieder zurück in die Stadt in eine Pärchenwohnung gewechselt bin, sagte meiner Mutter, dass sie mich doch ziemlich im Haus vermisst."

Erfahrung von Andrea (31):

"Ich hatte eine harte Trennung und einen Jobverlust hinter mir und benötigte dringend eine Wohnmöglichkeit. Da mein Elternhaus groß genug ist, zog ich dort ein. Als mein Bruder unter der Woche auswärts zu arbeiten begann, habe ich die Suche nach einer eigenen Wohnung aufgegeben, um meine Mutter nicht allein zu lassen, da mein Vater schon vor einiger Zeit gestorben ist. Ich wohne nun im selben Wohnbereich wie meine Mutter, bin aber aufgrund meines neuen Jobs selten zu Hause.

Mit meinem jetzigen Partner habe ich wirklich Glück, da er sehr verständnisvoll ist, was die Situation betrifft. Er schläft auch oft unter der Woche in meinem 'Kinderzimmer'. Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass meine Mutter und mein Partner einander in Unterwäsche beziehungsweise auch nackt in der Nacht zufällig getroffen haben. An einen One-Night-Stand wäre nicht zu denken, auch wenn ich keinen festen Freund hätte. Da gibt es auch keinen Unterschied, ob man auswärts schläft, da die 'wachsamen Augen' einer Mutter niemals schlafen. Ich habe also fast keinerlei Privatsphäre mehr.

Mit Vorurteilen und oft auch Anfeindungen kämpfe ich regelmäßig und leider immer wieder mit denselben. Viele denken, dass ich nicht selbstständig bin, oder schlimmer: eine Versagerin, die nichts erreicht hat. Die Meinung, ich würde meine Mutter ausnutzen, hält sich hartnäckig. Ich bestreite nicht, dass es sicher Menschen gibt, bei denen es so sein mag, nur trifft das nicht auf alle 'erwachsenen Kinderzimmerbesetzer' zu. Ich fühle mich für meine Mutter verantwortlich, und auch sie ist froh, dass ich sie unterstützen kann. Vor allem da meine Mutter keine Hobbys und fast keine Freunde hat, also wirklich fast ihre ganze Zeit zu Hause verbringt.

Natürlich gehen wir uns oft auf die Nerven, aber dann verschwinde ich einfach unter der Woche für eine oder zwei Nächte zu meinem Partner oder einer Freundin. Dennoch überwiegen für meine Mutter und mich die Vorteile: Ich helfe ihr mit dem Grundstück und den technischen Gebrechen des Hauses, und sie hat jemanden zum Reden. Ich hingegen, und das wird oft auch mit einem gewissen Neid betrachtet, erspare mir hohe Wohnkosten. Ich wohne zwar nicht gratis, aber die Kosten sind nicht mit einer Wohnung vergleichbar. Ein prinzipielles Aufeinander-Rücksicht-Nehmen ist unumgänglich, und dazu gehört nun einmal, auch Besuch vorher anzumelden. Und genau das empfinde ich als einen der größten Vorteile, speziell in der heutigen Zeit: Man erhält sich seine Empathie und lernt, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen."

Erfahrung von Vanessa:

"Mein Leben war perfekt: Studium und Arbeit liefen super. Ich wohnte mit meinem besten Freund und meinem damaligen Partner in einer Wohngemeinschaft, und wir schafften uns sogar einen Hund an. Ich war mit den mir liebsten Menschen in einer absolut super Wohnung.

Doch dann verlor ich meine Arbeit, konnte meine Abschlussprüfung nicht machen, die Beziehung ging in die Brüche, und mein bester Freund sprach nicht mehr mit mir. Alles, was mich ausmachte, war mit einem Schlag weg.

Was blieb mir übrig? Ich zog zu meiner Mama. Wer war ich? Was wollte ich vom Leben? Ich war hin- und hergerissen. Ich schämte mich, wieder bei meiner Mutter zu wohnen. Denn alles, was ich mir aufgebaut hatte, war mit einem Schlag weg. Zurückzukehren war für mich das Schlimmste. Ich liebe meine Mama, aber ich kann nicht mit ihr wohnen." (Protokolle: Marietta Adenberger, 21.4.2019)