Für jemanden, der als rechte Hand von Bundeskanzler Sebastian Kurz gilt, war es ein peinlicher Auftritt: "Das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden", fauchte Medienminister Gernot Blümel ZiB 2-Moderator Martin Thür an, als ihn dieser mit einem plakativen Vergleich zur geplanten Registrierungspflicht für Online-Poster konfrontierte.

So gereizt reagiert meist einer, der sich bei einer Irreführung ertappt fühlt. Und tatsächlich sehen Branchenexperten in den strengen Auflagen für Forenbetreiber kein wirksames Mittel gegen Hasspostings, sondern den Versuch, unabhängige und kritische Medien zu schwächen – auch den STANDARD. Dass der Gesetzesentwurf gegen die Anonymität im Netz technisch kaum umsetzbar ist und gegen europarechtliche Bestimmungen verstößt, scheint die Regierung nicht zu stören. Hauptsache, man trifft jene, die man als Feinde sieht.

Eigennützige politische Ziele verfolgt

Das Registrierungsgesetz ist kein Einzelfall. Seit ihrem Antritt hat die Regierung Kurz immer wieder Reformen diskutiert, vorgestellt oder beschlossen, die zwar echte Probleme ansprechen, aber in der Umsetzung vor allem eigennützige politische Ziele verfolgen. Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger sollte die Effizienz der Gesundheitsversorgung erhöhen und Kosten sparen. Doch dieser Zweck wird nach Meinung der meisten Experten verfehlt. Erreicht wird hingegen die Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in den entscheidenden Gremien. Auch hier haben die Gesetzesschreiber wichtige Verfassungsprinzipien wie die Selbstverwaltung der Sozialversicherung einfach ignoriert, was noch zu einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof führen könnte.

Weil die Statistik Austria unter ihrem Generaldirektor Konrad Pesendorfer auch sozialkritische Analysen veröffentlichte, wird das Amt nun auf eine Weise umgebaut, dass es in der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen werden kann. Seine für die Politik so wichtige Arbeit wird damit nicht verbessert.

Das von der FPÖ geforderte Ende der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern dürfte zwar vom Tisch sein, eine Senkung der Arbeiterkammer-Beiträge ist aber weiterhin im Gespräch. Das würde eine Institution hart treffen, bei der die SPÖ in den meisten Bundesländern gerade zwei Drittel der Stimmen oder mehr gewonnen hat.

Schwächung des ORF

Und alle Pläne, die die Regierung für den ORF wälzt, laufen auf eine Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinaus – sodass in Zukunft Moderatoren die Minister nicht mehr so frech fragen werden.

Dieser Angriff auf Institutionen, die Macht kontrollieren oder Gegengewichte bilden, ist neu. Selbst die Regierung Schüssel hat dies nicht mit einer vergleichbaren Energie betrieben. Kurz und Co nehmen sich hier womöglich die Nachbarn im Osten zum Vorbild, wo seit Jahren Medien, NGOs und Justiz eingeschüchtert oder an die Kandare genommen werden. Das ist die Strategie der neuen Populisten: Um eine einmal gewonnene Macht zu verteidigen, sind sie bereit, alles zu tun. Das wichtigste Prinzip der Demokratie, dass Macht vom Volk stets nur auf Zeit geliehen ist, gerät so in Gefahr.

Noch funktioniert die Gewaltenteilung im Inland und in der EU, vor allem durch eine unabhängige Justiz. Aber wenn eine Regierung in Kontrolleuren und Kritikern nur noch Feinde sieht und diese mit allen Mitteln bekämpft, dann kann man nicht darauf vertrauen, dass es so bleibt. (Eric Frey, 15.4.2019)